Die Bestie im Menschen by Emile Zola

Die Bestie im Menschen by Emile Zola

Autor:Emile Zola [Zola, Emile]
Format: mobi
Tags: Roman
Herausgeber: TUX
veröffentlicht: 2010-02-20T03:00:00+00:00


Achtes Kapitel

Erst um zehn Uhr vierzig Minuten Nachts traf der Zug im Pariser Bahnhof ein. In Rouen mußte ein Aufenthalt von zwanzig Minuten genommen werden, damit die Reisenden speisen konnten. Séverine hatte sofort ihrem Manne depeschirt, daß sie erst in der folgenden Nacht mit dem Eilzuge wieder einträfe. Sie hatte also eine ganze Nacht für sich. Zum ersten Male geschah es, daß sie die Nacht zusammen in einem verschlossenen Zimmer, ohne Furcht gestört zu werden, verbringen konnten.

Als man gerade Mantes verlassen wollte, kam Pecqueux ein guter Gedanke. Seit acht Tagen schon befand sich seine Frau, die Mutter Victoire, im Krankenhause; in Folge eines Falles hatte sie eine bedenkliche Quetschung am Fuße erlitten. Er hätte ein anderes Bett in der Stadt, in welchem er schlafen könnte, sagte er lachend zu Jacques und böte deshalb Frau Roubaud das seinige an: dort würde sie besser aufgehoben sein als in einem Hotel in der Nachbarschaft und könnte bis zum nächsten Abend bleiben wie wenn sie zu Hause wäre. Jacques hatte sofort dieses glückliche Arrangement eingeleuchtet, denn er hatte sich schon bisher vergebens den Kopf zerbrochen, wohin er die junge Frau führen sollte. Als sie sich in der Halle inmitten des Stromes der übrigen Reisenden der Locomotive näherte, rieth er, das Anerbieten anzunehmen und reichte ihr den ihm vom Heizer eingehändigten Schlüssel. Doch sie zögerte und weigerte sich, sie genirte das spitzbübische Lächeln des Heizers, der jedenfalls von allem wußte. »Nein, nein, ich habe hier eine Cousine. Sie wird wohl eine Matratze für mich übrig haben.«

»Nehmen Sie doch mein Anerbieten an,« meinte schließlich Pecqueux mit gutmüthigem Lächeln. »Das Bett ist gut und so groß, daß man zu vieren darin schlafen könnte.«

Jacques Augen sprachen eine so beredte Bitte, daß sie den Schlüssel nahm. Er beugte sich dabei zu ihr herunter und flüsterte ganz leise:

»Erwarte mich.«

Séverine brauchte nur ein Stückchen die Rue d'Amsterdam hinaufzugehen und in die Sackgasse einzubiegen. Der Schnee war so glatt gefroren, daß sie mit äußerster Vorsicht gehen mußte. Sie fand die Hausthür noch offen, sie stieg, ohne vom Portier gesehen zu sein, der mit einer Nachbarin in eine Partie Domino vertieft war, die Treppe hinauf. Im vierten Stock angelangt öffnete sie die Thür und schloß sie wieder so leise, daß kein Nachbar ihre Anwesenheit hätte ahnen können. Als sie die Treppe des dritten Stockwerkes passirte, vernahm sie deutlich Lachen und Singen bei den Fräulein Dauvergnet, wahrscheinlich hatten diese ihren musikalischen Abend, was einmal in der Woche vorkam. Als Séverine die Thür hinter sich geschlossen hatte, schallte in der tiefen Dunkelheit durch die Dielen noch immer die lebhafte Heiterkeit dieser Jugend zu ihr herauf. Einen Augenblick erschien ihr die Finsterniß undurchdringlich und sie fuhr zusammen, als mitten im Dunkel der Kuckuk mit einem Male mit schnarrender ihr so gut bekannter Stimme elf Uhr zu rufen anhob. Allmählich gewöhnten sich ihre Augen an die Finsterniß, die beiden Fenster hoben sich wie zwei fahle Quadrate aus derselben ab und an der Decke spiegelte sich der Wiederschein des Schnees wieder. Jetzt orientirte sie sich schnell, sie erinnerte



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