DIE ALLGEMEINE TAUGLICHKEIT by AKOS DOMA

DIE ALLGEMEINE TAUGLICHKEIT by AKOS DOMA

Autor:AKOS DOMA [AKOS DOMA]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Rotbuch Verlag
veröffentlicht: 2016-01-23T16:00:00+00:00


8

Seit Sibylles Besuch liegen wir ständig auf der Lauer, umschleichen und beobachten einander, jeder will die beste Ausgangsposition haben, sollte Sibylle unverhofft auftauchen. Auf einmal gibt es wieder einen Grund, sich zu waschen und zu rasieren. Amir hat sich von dem Geld für seine Bilder zwei weiße Hemden gekauft und sogar bar bezahlt. Er wird immer spießiger. Er schlägt vor, dass auch wir unsere Zimmer streichen, in denselben Farben wie Albert, das habe Sibylle gut gefallen. Außerdem gefalle ihm unser Palmenstrand nicht mehr, das Meer rausche nicht mehr so recht. Ludovik schnaubt verächtlich. Wozu etwas verändern? Es veränderte sich alles schon von selbst. Aber Amir hat recht, es rauscht nicht mehr, nichts rauscht mehr, nichts ist mehr, wie es war.

Sibylle kommt nicht.

Eines Morgens weckt mich Igor in aller Früh. Er wirkt aufgewühlt, er müsse sofort in die Stadt, Albert habe eben angerufen, er hätte eine repräsentative Arbeit für ihn gefunden. Er läuft Hals über Kopf aus dem Haus.

»Du brauchst gar nicht zurückzukommen!«, brülle ich ihm hinterher.

Am Mittag sitzen wir wie immer auf unserer Bank. Frauen tragen die neue Frühjahrsmode spazieren, früher hätten wir uns die Augen an ihnen wund gesehen, jetzt würdigen wir sie keines Blickes, keines Kommentars, wir sitzen nur stumm da wie beim Casting für eine Autisten-Show. Unsere chronisch gute Laune ist wie weggeblasen. Und dann passiert es, Igor marschiert um die Ecke. Aber nicht der Igor, den wir kennen, sondern ein Igor im mausgrauen Anzug, mit weißem Hemd und schwarzen Schuhen. Lässig überquert er den Marktplatz, nicht etwa am Rand, im Schatten, sondern in der Mitte. Er macht auch noch einen Bogen um eine Wasserpfütze, der feine Pinkel. Wir folgen ihm mit ungläubigen Blicken, bis wir den Hals nicht mehr weiter drehen können.

»Hey, Igor! Bist du’s?«

»Was ist los mit dir? Bist du krank?«

Igor dreht sich um, er hat uns tatsächlich nicht bemerkt.

»Mann, du siehst aus wie ein Sparkassenazubi.«

Er wischt sich über die Stirn, seine Hand zittert, obwohl er nüchtern zu sein scheint. Er sinkt auf die Bank und strahlt, als wäre er eben zum Mister Universum gewählt worden. Er komme gerade vom Vorstellungsgespräch, alles gutgegangen. Wir sollten die Ohren jetzt sperrangelweit aufmachen: Die Schlemmerstube werde von Samstag an Russische Wochen veranstalten, und er werde an der Theke mit den russischen Delikatessen stehen. Die Idee stamme von Albert, er habe ihn dem Chef empfohlen. Es werde eine Riesensache, die Presse werde auch da sein.

Wir schweigen, weniger als schweigen geht nicht. Noch gestern hätten wir uns über die Vorstellung krummgelacht, aber so, wie Igor jetzt aussieht, bleibt uns das Lachen im Halse stecken. Ich nehme seine Krawatte zwischen Daumen und Zeigefinger und fahre vom Knoten bis zur Spitze hinunter. Sie ist grau wie die Jacke. Woher er die Klamotten habe? Am Vormittag gekauft, mit Albert, er habe ihm etwas vorgeschossen. Er müsse sich jetzt schnell umziehen, seine neuen Kleider für Samstag schonen. Als er sich erhebt, erhebt sich auch Amir. Er stellt seine Bierdose behutsam auf die Bank und blickt in die Runde.

»Ich gehe mit«, sagt er leise.

»Warum die Eile? Trink doch wenigstens dein Bier aus.



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