Die Akademiemorde: Roman (German Edition) by Martin Olczak

Autor:Martin Olczak
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
veröffentlicht: 2014-06-12T22:00:00+00:00

15

Naguib Mahfouz

Nobelpreisträger für Literatur 1988

Begründung der Schwedischen Akademie:

»Dessen nuancenreiches Werk, das sowohl von kritischer Realitätsnähe als auch suggestiverer Vieldeutigkeit geprägt ist – eine arabische Erzählkunst von Allgemeingültigkeit geschaffen hat.«

18. Mai 2012

Das Licht der Straßenlaternen drang zwischen den Buchrücken hindurch, dünne Lichtstreifen zwischen den besten Horrorgeschichten H. P. Lovecrafts. Dahinter, auf dem Boden, stand eine einsame Wachskerze und leuchtete ein wenig in der nächtlichen Dunkelheit des Antiquariates.

Claudia hatte die Stiefel abgestreift und saß auf der abgenutzten Matratze zwischen den Regalen, lehnte sich gegen die vollgestopfte Abteilung L der Science-Fiction. Ihre nackten Füße ruhten auf einem Stapel betagter Ausgaben des New Yorker.

Neben ihr saß Leo. Mit konzentrierten Bewegungen rührte er im Teekessel und schaute zur alten Wanduhr aus den siebziger Jahren hinüber, folgte der Wanderung des Sekundenzeigers um das Zifferblatt.

»Nicht zu kurz, nicht zu lange. Die Chaiblätter brauchen genau drei Minuten und fünfzehn Sekunden.«

»Drei Minuten und fünfzehn Sekunden?«

Ohne den Sekundenzeiger aus den Augen zu lassen, antwortete er ernsthaft:

»Ja, das ist wissenschaftlich bewiesen. Ich habe es durch Experimente belegt.«

Als der Zeiger die richtige Position einnahm, füllte er die Becher mit dampfend heißem Kräutertee, reichte Claudia den einen und hob den anderen.

»Prost.«

»Prost, Leo, und meinen Glückwunsch. Dein Einsatz heute war vermutlich der bedeutendste in der schwedischen Kriminalgeschichte. Ganz schön gut für einen Buchantiquar.«

Sie stießen klirrend mit ihren Bechern an und nippten an dem heißen russischen Tee.

»Nicht schlecht, was?«

»Wird schon gehen. Hätte noch ein paar Sekunden ziehen können.«

Er antwortete nur mit einem Grinsen und sah die im Dunkeln flackernde Kerzenflamme an.

»Also, was wird die Polizei jetzt unternehmen? Werden sie die Öffentlichkeit über den als Strindberg verkleideten Mörder unterrichten?«

»Ich vermute, dass Jeglertz morgen früh eine Pressekonferenz abhält, und dabei wird er wohl alles sagen.«

»Und was passiert dann? Glaubst du, sie kriegen ihn?«

»Keine Ahnung, er ist anders als alles, was wir je erlebt haben. Er hat alles bis ins kleinste Detail geplant.«

Sie zuckte mit den Schultern und nippte dann wieder an dem dampfenden Tee.

»Jeder Polizist im ganzen Land ist einbezogen. Der französische Sicherheitsdienst und Interpol, so etwas haben wir nie auch nur im Entferntesten …«

Plötzlich schüttelte Leo den Kopf, seine Augen funkelten im Halbdunkel.

»Was ist los? Ist was?«

»Nein, nein«, antwortete er, »mir ist nur gerade aufgegangen, wie seltsam das alles ist. Hier sitze ich, ein abgebrannter Buchhändler, und nehme an einer gewaltigen Mörderjagd teil.«

Seine Mähne flog hin und her, während er den Kopf schüttelte.

»Normalerweise sitze ich den ganzen Tag hier im Antiquariat, trinke Tee und lese Bücher. Ab und zu kommt ein Kunde, wenn ich Glück habe, wenn ich noch mehr Glück habe, kauft er auch etwas. Vielleicht einige abgegriffene Romane von John Fowles für fünfzehn Kronen das Stück. Das Spannendste, was passieren kann, ist, dass Brynolfsson, mein Stammkunde, im Konversationslexikon einen lustigen Druckfehler entdeckt.«

»Das klingt doch nach einem geruhsamen Dasein.«

»Es gefällt mir ja auch, es ist ruhig und angenehm. Aber überleg doch mal, heute haben wir im Geheimarchiv der Schwedischen Akademie herumgeschnüffelt. Wir sind nach Mitternacht über einen Friedhof geschlichen, wir haben den Augenzeugen aufgespürt und das Mordrätsel gelöst. Ich komme mir vor wie die Hauptperson in einem Krimi von Raymond Chandler.

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