Der Tod des Achilles by Boris Akunin

Der Tod des Achilles by Boris Akunin

Autor:Boris Akunin [Akunin, Boris]
Die sprache: deu
Format: azw3, epub, mobi
Herausgeber: Aufbau
veröffentlicht: 2012-12-31T23:00:00+00:00


ZWEITER TEIL

AHIMAAZ

SKIROWSK

1

Der Vater hieß Pelet, was auf althebräisch Flucht bedeutet. Im Jahr seiner Geburt ereilte die »Brüder Christi«, die zwei mal hundert Jahre in Mähren gelebt hatten, ein Unglück. Der Kaiser schaffte das Privileg ab, welches die Gemeinde vom Militärdienst befreite, weil er neuerdings einen großen Krieg gegen einen anderen Kaiser führte und viele Soldaten brauchte.

Land und Hof im Stich lassend, brach die Gemeinde eines Nachts auf und zog nach Preußen. Den »Brüdern Christi« war es gleich, was die Kaiser miteinander hatten; ihr strenger Glaube untersagte ihnen, irdischen Herrschern zu dienen, ihnen den Treueeid zu schwören, eine Waffe in die Hand zu nehmen und die Uniform mit den Wappenknöpfen zu tragen, die nichts anderes waren als Abdrücke des Satanssiegels. Weshalb die Brüder an ihren langen, braunen Kamisolen, deren Zuschnitt sich in über zwei Jahrhunderten nicht verändert hatte, keine Knöpfe trugen, sondern Schnüre.

In Preußen gab es Glaubensgenossen. Die hatte es vor langer Zeit, gleichfalls auf der Flucht vor dem Antichristen, nach hier verschlagen. Dazumal hatte der König ihnen Land in festen Besitz gegeben und sie vom Kriegsdienst befreit – mit der Auflage, die endlosen preußischen Sümpfe trockenzulegen. Über zwei Generationen kämpften die Brüder wider den unwegsamen Morast, in der dritten bezwangen sie ihn und begannen auf dem humusreichen Land ein sattes und freies Leben zu führen. Die mährischen Glaubensbrüder wurden freudig empfangen, man teilte mit ihnen, was da war, und lebte zusammen in Eintracht und Güte.

Mit einundzwanzig heiratete Pelet. Gott gab ihm eine gute Frau, und die gebar nach gebührender Zeit einen Sohn. Bald darauf jedoch beschloß Gott der Allmächtige, seine treuen Diener schweren Prüfungen zu unterziehen. Zuerst kam eine Seuche über sie, an der viele starben, darunter Pelets Frau und sein Sohn. Er murrte nicht, auch wenn das Leben seine Farbe geändert hatte und aus Weiß Schwarz geworden war. Doch das schien dem Allmächtigen nicht genug zu sein, Er wollte die Auserwählten Seine Liebe in ihrer ganzen, rauhen Unerbittlichkeit spüren lassen. Also hatte ein neuer, aufgeklärter König verfügt, in seinem Staate seien alle gleich, und das von einem anderen, früheren König erlassene Gesetz wurde abgeschafft. Nunmehr hatten auch Juden, Mennoniten und »Brüder Christi« in der Armee zu dienen und ihr Vaterland mit der Waffe in der Hand zu verteidigen. Doch befand sich der Brüder Vaterland nun einmal nicht inmitten trockengelegter preußischer Sümpfe, sondern im Himmel, weshalb der Konvent der geistigen Führer zusammentrat und befand, man müsse gen Osten ziehen, ins Land des russischen Zaren. Dort gab es auch eine Gemeinde, von der kamen manchmal Briefe, die lange unterwegs waren, per verläßlichen Boten, denn die amtliche Post war des Teufels. In den Briefen schrieben die Glaubensbrüder, der Boden bei ihnen sei fett, die Obrigkeit entgegenkommend und mit einer geringen Abgabe zufrieden.

Sie packten das Allernötigste, verkauften, was zu verkaufen ging, und ließen das Übrige zurück. Siebenmal sieben Tage waren sie mit Karren unterwegs, bis sie in ein Land kamen, das den schwierigen Namen Melitopolschtschina trug und wo es tatsächlich einen fetten Boden gab. Aber zwölf junge Familien und mit ihnen der Witwer



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