Der Stein der Gnade. Trilogie der Streitenden Reiche - Dritter Roman by Catherine O'Donell

Der Stein der Gnade. Trilogie der Streitenden Reiche - Dritter Roman by Catherine O'Donell

Autor:Catherine O'Donell [O'Donell, Catherine]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-02-20T05:00:00+00:00


***

Marte stand unentschlossen im Wohnzimmer ihres Hauses. Ihre neuen Freunde, unter ihnen auch die Eltern ihrer geliebten Eirion, waren am Morgen fortgegangen, um in der Taverne Zum Leuchtenden Halbmond noch einmal mit Feke und den anderen jungen Männern aus Anguli zu sprechen. Daher war sie jetzt allein im Haus, und sie hatte alle Fenster geschlossen und sogar die Läden verriegelt, aber das ferne Dröhnen der Armee, die durch Tarlin zog, war dennoch unüberhörbar. Siebenundzwanzig Tausendschaften – es war eine unvorstellbare Zahl von Männern, die in diesen Krieg zogen, und es gab nicht eine Frau in der Stadt, die nicht Vater, Ehemann, Sohn oder Bruder hatte hergeben müssen. Marte schauderte bei dem Gedanken daran, was aus Caernadon werden würde, wenn all diese Männer nicht mehr heimkehrten. Das Land blutete ohnehin schon, und auch wenn die Frauen und Mädchen tapfer die Last harter Arbeit auf sich nahmen, würden die Ernten in diesem Herbst wieder nur zu einem geringen Teil eingebracht werden können.

Unruhig durchquerte sie den dunklen Raum, um zum wiederholten Male an diesem Tag in den Keller hinunterzugehen und nach den Kerzen zu sehen. Die Hitze der letzten Wochen war unerbittlich bis in die Tiefen ihres Hauses hinabgekrochen, und sie befürchtete, dass das Wachs der weißen Kerzen, die sie und ihre Gefährtinnen für das Fest der Regenbogengöttin gezogen hatten, verderben würde, noch bevor der große Abend heraufdämmerte.

Als sie jedoch die schmale Holztür, die in den Keller führte, erreicht hatte, hielt sie, die Hand bereits auf der Klinke, noch einmal inne und stieß ein bitteres Lachen aus. Wie nutzlos dieser Dienst an der Göttin im Angesicht all der Not und des Leides war, die dem Land drohten! Welchen Sinn hatte es, heilige Rituale für eine Gottheit zu vollziehen, die ihre Söhne und Töchter so gleichgültig im Stich ließ?

Es fiel ihr in letzter Zeit immer schwerer, den Gannafrauen gegenüber, die sie als ihre Führerin ansahen, von Demut und Dankbarkeit zu sprechen, denn es gab wahrhaftig wenig in ihrem Leben, wofür sie der Großen Göttin hätten danken können. Und sollten sie in Demut zusehen, wie ihre Männer und Söhne in einen Krieg zogen, dessen Ziel und Gegner sie nicht einmal kannten? Sollten sie dankbar dafür sein, dass ihre Ziegen und Kühe im Winter, wenn das Gras nicht mehr wuchs, keine Milch mehr geben würden, die ihren Kindern den Magen hätte füllen können?

Diese Fragen strömten wie ein Gift in Mattes Seele. Das Fest der Regenbogengöttin, wahrhaftig!

Die alte Gebetsformel, die sie als kleines Mädchen von ihrer Großmutter gelernt hatte, ging ihr durch den Sinn, doch jetzt erschienen die Worte ihr wie grausamer Hohn.

Die drei Gesichter, in denen sich die Göttin der Welt zeigt: Eirion, die Mondgeborene, und Diann, die Sonnengeborene, und zusammen mit Cyraneika, der Regenbogengöttin, aus der Flüsse und Meere sich speisen und der großen Göttin, die über allem ist, bilden sie das ewige Gestirn der Vier, die in Wahrheit eine ist ...

Marte verlor sich in ihrer Verzweiflung, und als sie wieder zu sich kam, spürte sie, dass ihre Wangen nass von Tränen waren. Selbst das dünne Mieder ihres Sommerkleids war feucht.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.