Der Spielmann by Pötzsch Oliver

Der Spielmann by Pötzsch Oliver

Autor:Pötzsch, Oliver [Pötzsch, Oliver]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Historischer Roman
Herausgeber: Ullstein Buchverlage
veröffentlicht: 2018-09-20T22:00:00+00:00


Vierter Akt

Der Student und das Mädchen

* * *

14

An einem sonnigen Junitag im Jahre des Herrn 1496 erreichte Johann Heidelberg.

Sein Mantel war staubig und löchrig, Wams und Hemd ein halbes Dutzend Mal geflickt, die Schuhe so durchgelaufen, dass die Zehen unter dem Leder hervorlugten. Entschlossen, mit schmalen Lippen und grimmigem Blick, umklammerte er den grob geschnitzten Wanderstab, während er auf die große hölzerne Brücke zuschritt, die über den Neckar führte. Dahinter lagen das Stadttor, die Häuser und Kirchen und auf einer Anhöhe ein stattliches Schloss.

Oft in den letzten Monaten, wenn Johann geglaubt hatte, es ginge nicht mehr weiter, hatte er sich zwei Bilder vorgestellt: den ersten Blick auf Heidelberg und das überraschte Gesicht Margarethes, wie sie ihn erkannte und lachend in die Arme schloss. Diese Vorstellungen hatten ihn weitergetragen, durch die brütend heiße Po-Ebene und die Lombardei, über den Brennerpass und durch die vielen Grafschaften, Herzog- und Fürstentümer dahinter. Oben auf der Passhöhe war er schwer krank geworden, ein Fieber hatte ihn erfasst, das ihn wochenlang ans Bett fesselte. Barmherzige Pilger hatten ihn ohnmächtig und nass von Schweiß am Wegesrand gefunden und in ein Spital gebracht. In seinen Fieberträumen war Johann immer wieder Magister Archibaldus erschienen; genagelt an ein Kreuz, hatte ihm der Sterbende Worte zugemurmelt, die der Wind davontrug.

Du bist schuld …

Ja, er hatte Schuld auf sich geladen. Archibaldus war ermordet worden, weil er Johann etwas mitteilen wollte, weil er ihn schützen wollte. Vor etwas unsäglich Bösen und vor dem Dunklen, das in Johann selbst lauerte wie ein kleines schlafendes Tier und gelegentlich ausbrach.

Als er schließlich genas, sehr langsam, während ein gütiger alter Mönch ihm wie einem Kleinkind dreimal täglich Suppe einflößte, dachte Johann immer wieder über den Namen nach, den Archibaldus mit seinem eigenen Blut an die Kirchenwand in Torcello geschrieben hatte.

Gilles de Rais …

Noch immer wusste Johann nicht, was dieser Name bedeutete. Und auch wenn er die Initialen auf dem Messer betrachtete, konnte er sich keinen Reim darauf machen. Vielleicht war es ja auch nur ein Zufall, dass es sich um die gleichen Anfangsbuchstaben handelte, auch wenn Johann nicht mehr so recht an Zufälle glauben mochte.

In den letzten Monaten war er gereift wie ein guter, erdiger Wein im Fass. Er war nun achtzehn Jahre alt, mit sehnigen Muskeln, fest wie Hanfseile. Seine schwarzen Locken und den Bart hatte er sich mit dem Messer noch gestern kurz geschoren, sodass er fast wie ein Mönch aussah. Sein Gesicht war hager und kantig, die Augen schimmerten dunkel und geheimnisvoll, und es hatte nicht wenige Dienstmägde und Wirtstöchter gegeben, die Johann auf seiner langen Reise angeschmachtet hatten. Er hatte sie alle verschmäht, ganz so, als wäre er wirklich ein Mönch. Was ihn weitergetrieben hatte, waren die Liebe zu Margarethe und die Hoffnung, dass sich sein Leben von nun an ändern würde. Manchmal dachte er noch an Salome, an Emilio, Mustafa und den armen Peter Nachtigall mit seiner Fiedel. Es war eine schöne Zeit mit den Gauklern gewesen, doch auch diese Reise hatte Johann nicht aufgezeigt, wohin sein Weg führte, was sein eigentliches Ziel war.



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