Der Schaum der Tage by Boris Vian

Der Schaum der Tage by Boris Vian

Autor:Boris Vian
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 3803130387
Herausgeber: Johnny Lunatic (eBook)
veröffentlicht: 1994-01-14T16:00:00+00:00


35

Colin, begleitet von Chick, stieß die Tür der Apotheke auf. Sie machte »Klirr!«, und das Glas der Tür zersplitterte auf einer verwirrenden Anordnung von Fläschchen und Laboratoriumsgeräten.

Durch den Lärm aufgeschreckt, eilte der Apotheker herbei. Er war groß, alt und hager, und sein Haupt war mit einem struppigen weißen Haarfederbusch geschmückt.

Er stürzte zum Ladentisch, nahm den Telefonhörer ab und wählte mit der Geschwindigkeit, die das Ergebnis langjähriger Übung war, eine Nummer.

»Hallo!«, sagte er.

Seine Stimme klang wie ein Nebelhorn, und der Boden wippte unter seinen langen schwarzen Plattfüßen gleichmäßig auf und nieder, während sich ein Sprühregen über den Ladentisch ergoss.

»Hallo! Firma Gershwin? Würden Sie bitte eine neue Glasscheibe in meine Tür einsetzen?! In einer Viertelstunde? ... Beeilen Sie sich, es könnte ein weiterer Kunde kommen ... Gut ...«

Er legte den Hörer nieder, der sich mit einiger Mühe aufhängte.

»Was kann ich für Sie tun?«

»Dieses Rezept vollstrecken«, stotterte Colin.

Der Apotheker ergriff den Zettel, faltete ihn in der Mitte und machte einen langen, schmalen Streifen daraus, den er in eine kleine Tischguillotine einführte.

»So«, sagte er und drückte auf einen roten Knopf.

Das Fallbeil senkte sich, worauf das Rezept erschlaffte und niedersank.

»Kommen Sie heute Abend um sechs Uhr nachmittags wieder vorbei, dann ist das Mittel fertig.«

»Aber wir haben es sehr eilig«, sagte Colin.

»Wir möchten es gern gleich haben«, fügte Chick hinzu.

»Dann warten Sie bitte, ich werde das Medikament sofort zusammenstellen«, sagte der Apotheker.

Colin und Chick setzten sich auf eine Bank mit purpurnen Samtpolstern gegenüber dem Ladentisch und warteten. Der Apotheker bückte sich hinter dem Ladentisch und verließ den Raum, indem er durch eine Geheimtür kroch. Das leise schleifende Geräusch, das sein hagerer Körper auf dem Fußboden hervorrief, wurde immer schwächer und verstummte schließlich.

Sie blickten sich um. Auf langen Regalen aus patiniertem Kupfer reihten sich unzählige Gefäße aneinander, die einfachere Mittel wie auch stark wirkende Medikamente enthielten. Vom letzten Gefäß jedes Faches ging ein heller Schimmer aus. In einem konischen Behälter aus dickem angeätztem Glas drehten sich runde Kaulquappen in Spiralen bis zum Boden, schossen dann wie Pfeile zur Oberfläche und nahmen ihre exzentrierte Drehung wieder auf, wobei sie eine weißliche Spur verdichteten Wassers hinter sich ließen. Daneben hatte der Apotheker in einem mehrere Meter langen Aquarium eine Versuchsanlage für Düsenherzfrösche eingerichtet, und hier und dort lagen unbrauchbare Frösche herum, deren vier Herzen noch schwach klopften.

An der Wand hinter Chick und Colin prangte ein riesiges Fresko, das den Apotheker darstellte, wie er gerade als Cesare Borgia im Turniergewand seine Mutter vergewaltigte. Auf den Tischen standen allerlei Maschinen zum Pillendrehen herum, von denen einige sogar liefen, wenn auch im Leerlauf.

Die Pillen, die sich aus einer blauen Glasröhre hervorschoben, wurden von Wachshänden aufgefangen und in gefaltete Papiertüten gesteckt.

Colin stand auf, um eine Maschine in der Nähe noch näher zu betrachten, und er hob die rostige Schutzhaube. Im Inneren saß ein zusammengesetztes Tier, halb aus Fleisch, halb aus Metall, das den Rohstoff hinunterschlang und ihn in Form von regelmäßigen Kügelchen wieder ausstieß.

»Sieh nur, Chick«, sagte Colin.

»Was denn?«, fragte Chick.

»Das ist sehr merkwürdig!«, sagte Colin.

Chick kam heran. Das Tier hatte einen verlängerten Kiefer, der sich mit schnellen Bewegungen seitlich hin- und herschob.



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