Der Samurai von Savannah by Boyle T. Coraghessan

Der Samurai von Savannah by Boyle T. Coraghessan

Autor:Boyle, T. Coraghessan [Boyle, T. Coraghessan]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Carl Hanser Verlag
veröffentlicht: 2013-12-28T16:00:00+00:00


HUNDEGEBELL

Als Ruth mitten in der Nacht zu ihm kam, träumte er gerade von seiner Mutter, von seiner haha, seiner okāsan, dem milde lächelnden Mädchen im Minirock, das ihn auf die Welt gebracht und gestillt und tief in die Augen geblickt hatte. Es war das Gedächtnis der Wiege, eine Traum-Erinnerung, idealisiert und destilliert aus dem Stapel von Fotografien, den seine Großmutter in der untersten Schublade ihrer Kommode aufbewahrte. Die Fotos flatterten durch seinen Traum wie ein Kartenspiel, und er sah seine Mutter vor einem Paukstudio stehen, mit ihrer Gitarre, den stämmigen Beinen und dem hübschen breiten Gesicht, das er von ihr geerbt hatte; er sah sie auf dem Futon, jetzt etwas schlanker, den Blick fest auf den strampelnden Säugling gerichtet, den sie im Arm hielt; er sah sie in einer überfüllten Bar allein herumstehen, hinter sich Flaschen wie blinkende Sterne. Und dann stieg ihr Gesicht auf wie der Mond am Himmel über ihm, und auf einmal war sie Chieko, die Frau mit den breiten Hüften, die er in einer Spelunke im Yoshiwara-Bezirk kennengelernt hatte, ihre Arme umschlossen ihn, ihre Lippen saugten an seinen wie eigenständige Wesen …

Dann klapperte die Tür, und ihm war klar, dass die Polizei ihn holen kam, mit Negern und Hunden.

Aber nein, es war Ruths Stimme, die da aus der Nacht zu ihm drang. Ruths Stimme. Hastig griff er nach den Shorts, nach dem Türriegel. Stimmte etwas nicht? Nein. Wollte sie, dass er das Licht einschaltete? Nein. Sie verströmte einen Moschusduft, einen Geruch, der aus einer Flasche aufstieg und der ihn in seinen Traum zurückversetzte, zu Chieko und den glitzernden Lichtern von Yoshiwara.

Ruth küsste ihn, ihre Lippen lagen kühl auf seinen, und er spürte ihre Zunge in seinem Mund. Ihr Kleid war aus dünnem Chiffon und fühlte sich auf seiner Haut elektrisierend an. Er begriff nicht – sie waren doch Freunde, hatte sie gesagt, nur Freunde, und der lange Butterstinker mit den Haaren wie Reispapier und diesen hellen Augen mit dem unsteten Blick, der war ihr Liebhaber. Aber nun rutschte ihr Kleid zu Boden, als zöge eine unsichtbare Hand daran, und sie umarmte ihn, presste sich gegen ihn, das ganze reine, weiße, langbeinige Rätsel, das sie war, trat mit ihm in Beziehung, und er versuchte gar nicht zu verstehen, wollte nicht verstehen, es war ihm egal.

Am Morgen, am hellen Tag, hob sie den Kopf von seiner Brust und sah ihm in die Augen. Er fühlte, wie sie sich an ihn schmiegte, und er lauschte dem leisen Murmeln des Lebens, das in den Bäumen draußen erwachte, und hielt dem Blick ihrer kühlen grauen Augen stand, wenn auch jedes Fältchen seines Gesichts seine Aufregung widerspiegelte. Sie schien sich über irgendetwas klar werden zu wollen, taxierte ihn, ließ die Nacht und den Augenblick und die plötzliche Vielfalt ihrer Möglichkeiten Revue passieren. »Nur Freunde«, flüsterte er, und das war genau das Richtige. Sie lächelte, öffnete sich ihm, erblühte geradezu, und dann küsste sie ihn und alles war wieder gut.

Sie ging in ihr anderes Haus zurück, in das Große Haus, noch ehe die



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