Der Portwein-Erbe by dtv

Der Portwein-Erbe by dtv

Autor:dtv
Format: epub, mobi
Herausgeber: dtv


Die nächste Stufe – eigentlich war es mehr die Sprosse einer steilen Leiter – erklomm er am nächsten Tag. Nicolas wunderte sich, dass die Arbeiter aus den Weinbergen nicht auf der Quinta erschienen, um Anweisungen entgegenzunehmen oder abends von der Tagesleistung zu berichten. Wie Lourdes erklärte, holte ein Kollege sie mit dem Auto ab und brachte sie zum Weinberg. Abends gelangten sie auf demselben Weg nach Hause. Da mischte Gonçalves sich ein, er kontrolliere sie ab und zu ohne Ankündigung, deshalb sei es unnötig, dass Nicolas sie aufsuche.

»Die Arbeit ist langweilig, Einflechten und Ausbrechen, den ganzen Tag über in der Sonne, für mehr sind die Leute nicht zu gebrauchen. Außerdem finden Sie den Weinberg nicht, wo sie gerade arbeiten.«

Genau das rief Nicolas’ Misstrauen hervor. Er pflichtete ihm bei und tat, als wäre das Thema für ihn erledigt. Es machte ihn fuchsig, nicht zu wissen, was Leute, die jetzt von ihm bezahlt werden mussten, eigentlich taten und wer sie waren. Außerdem würden die Kollegen wissen, wo dieser Pacheca wohnte. Gonçalves schien bemerkt zu haben, was in Nicolas vorging, und er wieselte den ganzen Vormittag über um Lourdes herum, damit Nicolas sich nicht ungestört mit ihr unterhalten konnte.

So wie er von seinem neuen Schreibtisch aus alles sehen konnte, war auch er den Blicken aller ausgesetzt. Er würde vor eines der Fenster eine Jalousie hängen, um einen Rückzugsraum zu schaffen. Er hasste Großraumbüros. Niemand verhielt sich unter Beobachtung normal. Dauernder Kontrolle zu unterliegen, brachte schlechte Ergebnisse, und wer seine Arbeit nicht gern tat, leistete wenig. Nicolas konnte nicht ermessen, wer hier seine Arbeit gern tat, denn alle schienen ihm verklemmt und gehetzt. Da waren die Kollegen im Architekturbüro cooler. Aber die Arbeit war sterbenslangweilig gewesen. Doch hier ging es um etwas anderes.

Lourdes wusste, wo Nicolas die Arbeiter finden konnte, und mittels der Computerpläne bekam er eine Vorstellung vom Weg dorthin. Er nahm sich Ausdrucke mit, der Wagen verfügte nicht über ein Navigationssystem, außerdem brauchte Nicolas nur einmal auf eine Landkarte zu sehen, um sich für immer daran zu erinnern. Er musste den Weg selbst finden, nur dabei lernte er ihn kennen und bekam einen Sinn für die Umgebung. Er wusste im Grunde genommen noch immer nicht, wohin er geraten war.

Mittlerweile hatte er Übung im einhändigen Fahren; einer Polizeikontrolle jedoch hätte er nicht begegnen dürfen, deshalb band er den Riemen, mit dem der gebrochene Arm am Körper fixiert wurde, nach dem Einsteigen los und legte den Arm in den Schoß. Er benutzte die Rechte nicht einmal, wenn der Schalthebel auf rückwärts umgestellt werden musste. Ohne Servolenkung wäre er aufgeschmissen gewesen.

Die Arbeiter sollten heute auf einem Weinberg am nördlichen Ufer sein. Nicolas fuhr nach Pinhão, überquerte am Ortsausgang die Römerbrücke und bog links ab. Die Straße führte am jenseitigen Ufer des Rio Douro den Hang hinauf, der seiner Quinta gegenüber lag, und als er auf 400 Meter Höhe angekommen war, sah er sie jenseits des Flusses. Er lächelte. Das Land gehörte noch längst nicht ihm, und er konnte sich kaum vorstellen, dass es jemals so sein würde.



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