Der Pinienhain by Dueñas María

Der Pinienhain by Dueñas María

Autor:Dueñas, María
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-12-27T16:00:00+00:00


Kapitel 23

Professor Cabeza de Vaca erwartete ihn erneut in seinem Büro, als wäre zwischen den beiden Besuchen nichts geschehen. Gepflegt wie immer, saß er hinter seinem wuchtigen Schreibtisch aus Nussbaum, Schreibzeug und elfenbeinernes Kreuz an ihrem angestammten Platz, wie für einen Fototermin arrangiert. Die schweren Vorhänge dämpften das morgendliche Licht.

»Nun, mein Junge, ich freue mich, Sie endlich wieder hier zu haben«, sagte er und streckte ihm über den Schreibtisch hinweg die Hand entgegen. »Wir haben schon Mitte Februar, und seit vor Weihnachten habe ich kein Wort von Ihnen gehört. Ihr Streifzug durch den alten Cantón wird also eine intensive Erfahrung gewesen sein, vermute ich.«

Trotz aller Mühe, sich gedanklich nach Cartagena zu versetzen, wollte Daniel kein einziger der literarischen Schauplätze einfallen, nach denen er hatte suchen wollen, aber nie kennengelernt hatte. Stattdessen tauchte eine lange Folge von Bildern, Wahrnehmungen und Gefühlen in ihm auf. Auroras Gesicht, Auroras Augen, Auroras Duft. Ihre unendliche Zärtlichkeit, ihr ansteckendes Lachen, ihre Stimme.

»Intensiv, ja, das war es, Señor.« Er musste erst schlucken, ehe er diese knappe Antwort herausbrachte. »Eine sehr intensive Erfahrung.«

»Dann werden Sie den geografischen Hintergrund von Senders Roman bis ins Detail kennen, vermute ich.«

Daniel nickte stumm. Das war natürlich glatt gelogen. Er hatte die Schauplätze von Míster Witt en el Cantón bestenfalls im Vorbeigehen wahrgenommen. Stattdessen hatte er sich in das Abenteuer gestürzt, die junge Frau zu erforschen, der er dort begegnet war. Die winzige Narbe über dem Backenknochen, ihre weichen Lippen und die vier kleinen Muttermale direkt am Haaransatz. Ihre sanften Finger, wenn sie ihn zärtlich streichelte, und den salzigen Geschmack nach Meer, den er hier in Madrid, Hunderte von Kilometern von jeder Küste entfernt, noch auf seiner Haut zu haben meinte.

»Und Sie werden sich vermutlich auch mit den historischen Ereignissen vertraut gemacht haben, die er in seinem Buch aufgreift.«

Wieder nickte er. Wieder gelogen. Die einzigen Ereignisse, die sich für immer in sein Gedächtnis eingegraben hatten, hatten alle mit Aurora zu tun. Jene erste Begegnung in der Apotheke ihres Vaters … Und wie sie ihre Arme hob, um ihre Lockenmähne in Ordnung zu bringen. Wie er ihr heimlich folgte, voller Angst, sie aus den Augen zu verlieren. Die erneute Begegnung mitten auf der Straße am nächsten Tag, als er nur in ihre grauen Augen mit den dichten Wimpern schauen konnte und nicht wusste, was er tun oder sagen sollte. Sein hilfloser Zorn, als er sie am Dreikönigstag mit einem jungen Mann auf der gegenüberliegenden Straßenseite stehen sah und daraus einen vollkommen falschen Schluss zog. Die lange Zugfahrt, bei der sie sich ein wenig kennenlernten, der Anfang von allem, was später kam.

»Und ebenso nehme ich an«, fuhr Cabeza de Vaca fort, der von all den Gedanken, die dem jungen Amerikaner gerade durch den Kopf gingen, nichts wusste, »dass Sie den vereinbarten Bericht über Ihre Entdeckungen und Überlegungen dazu bereits verfasst haben.«

Dieses Mal bestand die Antwort in einem Räuspern. Und dann, unfähig weiterzulügen, murmelte Daniel irgendetwas in seinen nicht vorhandenen Bart.

»Ich verstehe Sie nicht, Carter. Sprechen Sie bitte deutlich.«

»Dass ich es nicht machen konnte, Señor.«

»Ich verstehe immer noch nicht.



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