Der Mann, der nicht geboren wurde: Im Zeichen des Mammuts 5 by Tobias O. Meißner

Der Mann, der nicht geboren wurde: Im Zeichen des Mammuts 5 by Tobias O. Meißner

Autor:Tobias O. Meißner [Meißner, Tobias O.]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
Tags: Fantasy, Retail
ISBN: 9783492956741
Herausgeber: Piper ebooks
veröffentlicht: 2012-05-13T22:00:00+00:00


9 Das Geborene

Im Licht des frühen Morgens bot Naenns ehemaliger Garten ein trostloses Bild. Rodraeg, von Unruhe und Schlaflosigkeit früh aus dem Bett getrieben, stand inmitten von aufgebrochener Erde und fast mannstiefen Löchern, entwurzelten Beerensträuchern, untergepflügten Rüben, aus der Erde gerissenem Gestein, zertrampelten Kräutern, zerrissenen Zierblumenblättern und zerhackten Salaten.

So wie dieses vier mal vier Schritte messende Beet im Kleinen musste eine Welt aussehen, die tatsächlich von den Göttern verlassen worden war. Dem Kontinent schien es noch deutlich besser zu gehen als diesem Garten, aber dennoch brachte Rodraeg es nicht über sich, dem auf dem Nachbarsgrundstück im Baum sitzenden Wachgardisten ein freundliches Nicken zu schenken.

Er krempelte sich die Ärmel hoch und ergriff einen Spaten. Dabei spähte er immer wieder beinahe furchtsam zu Naenns mit einem Vorhang verhängten Fenster hinauf, ob sich dort etwas rührte. Binnen einer halben Stunde schon leisteten ihm Cajin und Bestar bei seinen Aufräum- und Löcher-Zuschütt-Arbeiten Gesellschaft. Bei Naenn blieb alles ruhig, bis in dem Hof zumindest keine Krater mehr klafften. Als es dann so weit war, dass der Markt eröffnete, schickte Rodraeg Cajin und Bestar dorthin.

Inmitten von Gedränge und Anpreisen, Schnattern und Rascheln, Probieren und Verwerfen, den Düften, Poliertheiten und Zierden, unterwürfigen Angeboten und frechen Überhöhungen des Rathausplatzmarktes ergatterten die beiden eine prächtige Ingwerwurzel, welche die ungefähren Umrisse eines Menschen hatte. Mit ihr kehrten sie nach Hause zurück.

Dann begann der Schmetterlingsmann Estéron das Werk.

Naenn, die ihr Zimmer schon gar nicht mehr verlassen wollte, musste die Wurzel roh einnehmen. Was sie ausschied, wurde in Schüsseln gesammelt. Cajin – von Estéron zu seinem sehenden Assistenten ernannt – erhitzte Unmengen von Wasser auf der Kochstelle und trug es ebenso nach oben in Naenns Zimmer wie den großen Badebottich aus dem Baderaum. Rodraeg und Bestar durften das Zimmer unter keinen Umständen mehr betreten.

Als Rodraeg zur Mittagsstunde einen Blick durch die von Cajin nicht ganz geschlossene Tür erhaschte, wurde seine Vorstellung von Geburtenzimmern gehörig durcheinandergewirbelt. Der ganze Raum war voller Rauch. Estéron war kurz zu erkennen, nackt bis auf einen Lendenwickel und am ganzen Körper mit magischen, unheimlich wirkenden Zeichen bemalt. Seine kleinen, wie vertrocknet wirkenden Flügel an den Schulterblättern waren von fleischlich bleicher Farbe. Als er Rodraeg bemerkte, wandten seine blinden Augen sich ihm zu und schienen für einen Moment in gläsern hohle Tiefen zu führen. Mehr einem Dämon ähnelte der Schmetterlingsmann nun als einem Menschen. Rodraeg floh nach unten hin zu Bestar. Dann lauschten sie beide eingeschüchtert dem gutturalen Gesang, der von oben herniederschallte.

Nach einigen Sandstrichen erschien ein verschwitzter, gesträubthaariger und verschrecktäugiger Cajin bei ihnen im Versammlungsraum. »Estéron sagt, er könnte noch mehr magische Unterstützung gebrauchen. Aber nicht Dilljen Kohn. Und auch nicht Hebezie oder eine andere einem einzelnen Gott geweihte Person, damit das Kind nicht in eine einzelne Richtung gezerrt und beeinflusst werden kann. Ich habe die Dreimagier vorgeschlagen. Er hat gesagt, ihr sollt sie zu holen versuchen. Ihr beide könnt hier zurzeit ohnehin nichts weiter ausrichten.«

»Wir machen uns sofort auf den Weg.« Rodraeg nahm Bestar am Ellenbogen und führte ihn aus dem Haus. »Hattest du schon Kontakt mit den Dreimagiern, oder hat das alles Eljazokad erledigt?«, fragte er den Klippenwälder.



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