Der Lebkuchenmann by J.A. Konrath

Der Lebkuchenmann by J.A. Konrath

Autor:J.A. Konrath
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
Herausgeber: AmazonCrossing
veröffentlicht: 2014-06-03T22:00:00+00:00


KAPITEL 22

Der Schmerz weckte mich auf. Mein Bein war über Nacht steif geworden und fühlte sich von den Zehen bis zum Gesäß wie ein gewundener Strang Lakritze an. Ich muss gestehen, dass ich wie ein Jammerlappen wimmerte und stöhnte, als ich mich vom Schaukelstuhl erhob und ins Bad humpelte, wo ich nach Medikamenten suchte. Im Krankenhaus hatte man mir ein Rezept für Codein ausgestellt, aber da ich einen auf hartes Mädchen machen wollte, hatte ich darauf verzichtet, es mir aus der Apotheke zu besorgen. Zum Glück fand ich noch eine Schachtel Hydrocodon, das Don genommen hatte, als er sich seine Weisheitszähne ziehen ließ. Ich schluckte zwei Tabletten.

Duschen erwies sich als umständlich und schmerzhaft und erforderte einen Müllbeutel, Klebeband und ein Ausmaß an Geduld, das ich mir nie zugetraut hätte. Als ich endlich fertig war, war eine Stunde meines Lebens unwiederbringlich dahin.

Ich rief mit dem Handy meine Aufpasser an und teilte ihnen mit, dass alles in Ordnung war. Das Hydrocodon in meinem System verleitete mich fast dazu, ein Lied anzustimmen. Ich fühlte mich gut – sehr gut sogar. Das Medikament schien sogar meinen Schnupfen geheilt zu haben.

Später gab ich diesem Medikament die Schuld daran, dass ich nicht zur Arbeit ging und stattdessen meinen Termin bei Lunch Dates vorverlegte.

Die blauen Augen, die ich mir bei der Schlägerei in der Bar zugezogen hatte, hatten inzwischen eine gelbliche Färbung angenommen. Anstatt sie mit Make-up zu verbergen, entschied ich mich für den natürlichen Look. Ich verließ meine Wohnung in locker sitzenden Chinos, meinem Pullover von L.L. Bean und einer billigen Sonnenbrille. Ohne Gehstock trat ich auf die Straße, winkte ein Taxi herbei und teilte meinen Leibwächtern mit, dass ich eine heiße Spur zu einer Partnervermittlungsagentur verfolgte. Sollten sie ruhig darüber lachen. Ich war zu gut drauf, um mich dadurch beirren zu lassen.

Der Taxifahrer, ein junger Jamaikaner mit Rastamütze, verwickelte mich in ein Gespräch über die Chicago Bulls. Normalerweise interessiert mich dieses Thema nicht sonderlich, aber heute ging ich bereitwillig darauf ein und gab meinen Senf dazu. Als er mich etwa eine Viertelstunde später an der Ecke Michigan Avenue und Balbo Avenue absetzte, gab ich ihm fünf Dollar Trinkgeld.

Das Gebäude, in dem sich Lunch Dates befand, war erst kürzlich saniert worden. Noch vor ein paar Jahren beherbergte es ein Heim für obdachlose Männer. Damals hatte es eine Fassade aus braunen Ziegeln und winzige Fenster mit vergilbten Scheiben gehabt. Jetzt glänzte überall Chrom, und in der Lobby verbreiteten grüne Pflanzen und ein Springbrunnen eine einladende Atmosphäre. Chicago ist, wie alle anderen Großstädte auch, ein Kannibale. Etwas muss sterben, damit etwas anderes wachsen kann.

Ich humpelte zum Informationstresen, wo man mich in den zweiten Stock verwies. Die Fahrstuhlkabine war rundum verspiegelt, und ich betrachtete mich von allen Seiten. Für eine Polizistin über vierzig, die erst kürzlich eine Schießerei überlebt hatte, sah ich gar nicht mal schlecht aus.

Aber vielleicht sorgten die Medikamente dafür, dass ich mir dies nur einbildete.

Durch zwei dicke Glastüren betrat ich das Büro von Lunch Dates, wo mich ein attraktiver Mann mit perfekter Frisur von seinem Platz hinter dem Empfangstresen anlächelte.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.