Der kleine Freund: Roman (German Edition) by Tartt Donna

Der kleine Freund: Roman (German Edition) by Tartt Donna

Autor:Tartt, Donna [Tartt, Donna]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Random House DE
veröffentlicht: 2012-12-03T23:00:00+00:00


»Was war das?«

Stille. Plötzlich und zu Helys Entsetzen fluteten hundertfünfzig Watt weiße Elektrizität von der Glühbirne unter der Decke über ihn hinweg. Entsetzt und vom gleißenden Licht geblendet, duckte er sich an die schmuddelige Spanplatte, und fast ehe er einmal mit der Wimper zucken konnte (da ringelten sich furchtbar viele Schlangen auf dem Boden), fluchte jemand, und es wurde wieder dunkel.

Eine klobige Gestalt kam durch die Tür in das dunkle Zimmer. Leichtfüßig für seine Größe huschte der Mann an Hely vorbei zu den vorderen Fenstern.

Hely erstarrte. Das Blut schoss mit lautem Rauschen aus seinem Kopf hinunter in seine Füße, und als das Zimmer anfing, hin und her zu schwingen, kam im vorderen Raum Unruhe auf. Aufgeregte Stimmen, kaum verständlich. Ein Stuhl scharrte über den Boden. »Nein, nicht«, sagte jemand ganz deutlich.

Hektisches Geflüster. Im Dunkeln, nur ein paar Schritte entfernt, stand Farish Ratliff und lauschte bewegungslos, das Kinn hoch erhoben, die plumpen Beine gespreizt wie ein angriffsbereiter Bär.

Nebenan öffnete sich knarrend die Tür. »Farsh?«, sagte einer der Männer. Und dann hörte Hely zu seiner Überraschung eine Kinderstimme: winselnd, atemlos, undeutlich.

Schrecklich dicht neben ihm fauchte Farish: »Wer ist das?«

Aufruhr. Farish – zum Greifen nah für Hely – atmete tief und entnervt aus, wirbelte herum und stapfte dröhnend zurück ins beleuchtete Zimmer, als wollte er jemanden erwürgen.

Einer der Männer räusperte sich und sagte. »Farish, hör mal...«

»Unten... kommen Sie gucken...« Die neue Stimme – das Kind – klang hinterwäldlerisch und weinerlich. Ein bisschen zu weinerlich, erkannte Hely, von ungläubiger Hoffnung durchströmt.

»Farsh, sie sagt, der Truck...«

»Er hat die Fenster eingeschlagen«, fistelte die dünne, saure Stimme. »Wenn Sie sich beeilen ...«

Ein allgemeines Gepolter brach aus, aber ein Gebrüll, das Häuser einstürzen lassen konnte, beendete es gleich wieder.

»... wenn Sie sich beeilen, erwischen Sie ihn noch«, sagte Harriet. Der Akzent war leicht verrutscht, und die Stimme – hoch und pedantisch – war erkennbar ihre eigene, aber das schien in dem ekstatischen Gestammel und Gefluche niemand zu bemerken. Schritte polterten die Hintertreppe hinunter.

»Verdammt!«, schrie jemand draußen.

Ein außergewöhnlicher Tumult wehte herauf, Flüche und Gebrüll. Hely schob sich vorsichtig zur Tür. Einen Augenblick lang blieb er stehen und lauschte so angestrengt, dass er im matten Licht die kleine Klapperschlange nicht sah, die sich nur zwei oder drei Handbreit neben seinem Fuß stoßbereit zusammenzog.

»Harriet?«, flüsterte er schließlich, oder besser gesagt, er wollte es flüstern, aber er hatte fast keine Stimme mehr. Jetzt erst merkte er, wie schrecklich durstig er war. Unten in der Einfahrt wurde wirr durcheinander gebrüllt, eine Faust hämmerte auf Metall, immer wieder, und es klang wie der galvanisierte Badezuber, der bei Schulaufführungen und Ballettdarbietungen für die Donnerhalleffekte benutzt wurde.

Vorsichtig spähte er um die Tür herum. Die Stühle waren kunterbunt zurückgestoßen, Gläser mit schmelzendem Eis standen in verschränkten Wasserringen auf dem Klapptisch neben einem Aschenbecher und zwei Zigarettenpackungen. Die Tür zur Treppe stand sperrangelweit offen. Eine zweite kleine Schlange war ins Zimmer gekrochen und lag unauffällig unter dem Heizkörper, aber Hely hatte die Schlangen ganz vergessen. Ohne noch einen Augenblick zu vergeuden, ja, ohne auch nur darauf zu achten, wo er hinlief, rannte er durch die Küche zur Hintertür.



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