Der Klang des Bösen: Auris by Vincent Kliesch

Der Klang des Bösen: Auris by Vincent Kliesch

Autor:Vincent Kliesch [Kliesch, Vincent]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Droemer eBook
veröffentlicht: 2022-05-31T22:00:00+00:00


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Jula

E

hrlich gesagt hätte ich Ihnen so viel emotionales Einfühlungsvermögen gar nicht zugetraut.« Jula hatte das Video aus Silvans Cloud geladen und es Hegel auf den Rechner gesendet, der in seiner schallisolierten Tonanalyse-Kammer stand. »Sollten wir Friedrich das sagen? Ich meine, Silvan war drei Jahre ganz in der Nähe in einer Klinik, und Friedrich hat noch nicht mal was davon gewusst. Silvan wird vermutlich die ganzen Jahre über darauf gehofft haben, dass sein Schwarm ihn mal besuchen kommt. Und Friedrich hat nichts davon geahnt, wie Silvan für ihn empfindet. Ich finde das wahnsinnig traurig.«

Hegel nahm die Kopfhörer ab und legte sie beiseite, bevor er sich von seiner Analyse des Videos abwandte und Jula ansah. »Ich nehme Ihre Sorge um Silvans Seelenleben sehr ernst. Als Psychologe, als Vater und auch, selbst wenn Sie mir das nicht zutrauen, als Mensch. Zumal Silvan nach dem Tod seiner Mutter eine ganze Weile lang niemanden mehr haben wird, der ihm emotional nahesteht. Falls seine Gefühle noch immer bestehen sollten, könnte Friedrich in der ersten Zeit nach seiner Entlassung ein wertvoller Anker für den Jungen sein. Aber wir müssen die Schritte in der richtigen Reihenfolge gehen. Wir sollten jetzt erst einmal alles dafür tun, dass wir Silvan entlasten und aus dieser Klinik rausbekommen.« Er wandte sich wieder seinem Rechner zu.

Jula lehnte sich gegen die Wand der Tonkabine. Sie war durch die Isolation mit Schaumstoff angenehm weich und fühlte sich warm an. »Was haben Sie denn bis jetzt herausfinden können?«

Hegel hatte sich den kurzen Clip wieder und wieder angesehen. Wie abgetaucht hatte er gewirkt, Jula schien gar nicht mehr da gewesen zu sein. Die Art, wie er seine Regler betätigt, Knöpfe gedrückt und Grafiken bearbeitet hatte, erinnerte Jula an einen Musiker, den sie vor Jahren einmal in einer Dokumentation über große Virtuosen der klassischen Musik gesehen hatte. Der Pianist hatte den Konzertflügel bearbeitet, als könnten allein seine Finger diesem Töne und Gefühle entlocken, die eigentlich gar nicht in ihm steckten. So als besitze er magische Kräfte, mit denen er Schönheit und Perfektion mit nichts weiter als weißen und schwarzen Tasten erzeugen konnte, die kleine Hämmer gegen Saiten schlagen ließen.

Wie in einer anderen Welt gefangen hatte Hegel dieses kurze Video wieder und wieder von vorn laufen lassen, es angehalten, mit Analyseprogrammen bearbeitet, Schallwellen visualisiert, hervorgehoben, weggedrückt. Noch mal und noch mal. Jula hatte so gut wie nichts von dem mitbekommen, was Hegel mit aufgesetzten Kopfhörern analysiert hatte. Doch jetzt, nachdem er sich noch ein letztes Mal das Ergebnis seiner Arbeit angehört hatte, wandte er sich Jula zu, und in seinem abgekämpften Gesicht zeigte sich so etwas wie ein Lächeln.

»Eine gute Nachricht wäre jetzt wirklich was Tolles. Haben Sie den Tod von Patrizia Berg aufgeklärt?« Jula scheiterte bei dem Versuch, aus Hegels Mimik zu lesen.

»Ich hatte darauf gehofft. Aber leider gibt dieses Video das nicht her.«

Jula trat näher an den Rechner heran. »Das wäre wohl auch zu schön gewesen. Dann erzählen Sie mal.«

Hegel stöpselte seine Kopfhörer aus und startete die Wiedergabe. Ein Schmetterling war zu sehen, bevor Silvans Stimme erklang. »Guck mal, Mama! Ein besonderer Gast kommt dich besuchen.



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