Der Geliebte by Esther Verhoef

Der Geliebte by Esther Verhoef

Autor:Esther Verhoef [Verhoef, Esther]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
veröffentlicht: 2012-08-21T04:00:00+00:00


Halb zehn. Bis zehn wieder zu Hause zu sein würde ich schon nicht mehr schaffen.

Mechanisch begann ich, mich anzuziehen. Michel tat es mir gleich.

»Ich bring dich noch runter.« Er fischte seine Jacke von der Innenseite der Tür.

Wir gingen die Treppe hinunter. Ein Mann mit kantigem Gesicht und unordentlich zu einem Knoten zusammengebundenen Rastazöpfen kam uns entgegen und schüttelte Michel im Vorbeigehen die Hand. Die Innenseite seines Arms war voller Tattoos, ein Wirrwarr von blauen Punkten und Symbolen.

Mich würdigte er keines Blickes.

Draußen war es frisch, oder auch schlichtweg kalt. Michel legte den Arm um mich.

Vor dem Auto blieben wir stehen. Ich suchte in meiner Handtasche nach dem Schlüssel.

»Kommst du nächste Woche wieder?«

»Mal sehen.«

»Mal sehen?«

Es war dunkel in der Gasse. Ich konnte kaum sein Gesicht sehen. Riechen konnte ich ihn sehr wohl. Ein Parfumfabrikant, der es hinbekäme, einen Hauch Michel in ein kleines Fläschchen abzufüllen, wäre innerhalb kürzester Zeit Marktführer.

»Du bist böse«, stellte er fest.

»Ich frage dich etwas, das für mich wichtig ist, und du gibst mir einfach keine Antwort.«

Er zuckte mit der Schulter und wandte den Blick ab. »Ich bin nicht sonderlich stolz darauf, das ist alles.«

»Michel, mir gehen so viele Dinge durch den Kopf. Ich habe auch über Peter das eine oder andere zu hören bekommen. Ich möchte wissen, was du über ihn weißt … und was du Schlimmes getan hast.«

Ein Stück entfernt hupte jemand, ein penetranter Lärm, der durch die ganze Gasse schallte. Als wir uns danach umdrehten, fuhr das Auto schon wieder weiter.

»Lass uns da nächste Woche drüber reden«, sagte er.

Montag würde Peter wieder kommen.

Noch drei schlaflose Nächte.

»Nein, so lange will ich nicht warten.«

»Dann komm am Sonntag.«

Ich war unschlüssig. Konnte ich Sonntag einfach so weg, alleine? »Ich … ich weiß nicht. Ist Bruno Sonntag nicht zu Hause?«

Aus der Innentasche seiner Jacke kramte Michel eine Packung Tabak hervor. »Ein Freund von mir hat einen Wohnwagen. Er benutzt ihn nicht, das Ding steht leer. Wenn wir uns da treffen, braucht niemand davon zu erfahren, auch Bruno nicht.«

»Ich hatte so das Gefühl, dass Bruno ohnehin schon Bescheid weiß«, zischte ich plötzlich.

»Weiß er nicht, das bildet er sich allenfalls ein. Ich hab nichts gesagt. Ich bin kein Idiot.« Mit unerschütterlicher Ruhe fing Michel an, sich eine Zigarette zu drehen.

Panisch sah ich auf die Uhr. Viertel vor zehn.

»Ich muss jetzt wirklich los.«

»Kennst du das Restaurant, kurz bevor es zur Schnellstraße abgeht?«

Ich nickte.

»Wenn du um das Gebäude herumfährst, siehst du dahinter einen Pfad, ein Stück rechts vom Parkplatz. Der führt zu einer kleinen Lichtung. Es stehen da noch ein paar andere Wohnwagen. Ich werde am Sonntag dort sein. Zwei Uhr.« Er leckte das Blättchen an und pflückte an den Enden der Zigarette die Tabakreste ab. »Zu Hause kannst du ja sagen, du hättest noch irgendwas einzukaufen vergessen.«

Er legte mir einen Arm um die Taille und ließ seine Lippen sanft über meine Wange gleiten. Dann strich er mir ein paar Strähnen aus dem Gesicht. »Und du musst mir etwas versprechen …«

Ich sah zu ihm auf, verwirrt von dem plötzlichen Ernst in seiner Stimme.

»Wenn er es heute Nacht mit dir tut, denk an mich.



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