Der Fluch by Rosa Cerrato

Der Fluch by Rosa Cerrato

Autor:Rosa Cerrato [Cerrato, Rosa]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2013-03-15T00:00:00+00:00


Der Abend senkte sich über das Land, und die Laternen entlang der Hauptstraße flackerten auf. Wer weiß, was Basile und Gerolamo denken, die müssen glauben, mir ist es ergangen wie Filippo De Magistris. Ich lasse besser was von mir hören.

»Gerolamo? Wo seid ihr? Sehr gut, plaudert mal ein bisschen mit den Dorfleuten. Gemein, wie ich bin, hab ich natürlich geglaubt, ihr würdet in der Bar hocken. Ich bin gerade auf dem Weg zu einer alten Dame, die die Pisus kannte. Danach komme ich zu euch. Nein, keine Sorge, alles bestens, ich brauche keine Verstärkung. Wir sehen uns gegen halb acht bei Tiu Pedru.« Gerolamo ist eine echte Glucke. Was soll mir denn in diesem verschlafenen Kaff schon passieren? Ach, da auf der linken Seite ist es ja, das weiß gestrichene einstöckige Häuschen mit Vorgarten und Gemüsegarten daneben.

Als sie den hölzernen Gartenzaun erreichte, stand plötzlich ein großer gelber Schäferhund vor ihr, die Vorderpfoten auf das Gatter gestützt. Argwöhnisch starrte er sie aus dreißig Zentimeter Entfernung an und ließ ein dumpfes, drohendes Knurren vernehmen. Dann folgte ein warnendes Bellen. Die alte Frau, die Nelly in der Apotheke gesehen hatte, erschien in der Tür und blickte suchend in die Dämmerung.

»Brav, Toro. Hierher.«

Sie kam zum Gartentor. Ohne Nelly aus den Augen zu lassen, hörte Toro zu knurren auf und gesellte sich zu seinem Frauchen. Die gebeugte, kaum eins fünfundfünfzig große Frau blickte Nelly mit lebhaften blauen, von Runzeln umgebenen Augen unerschrocken ins Gesicht.

»Sie waren heute Nachmittag in der Apotheke. Was wünschen Sie, Signora?«

»Ich würde gern kurz mit Ihnen reden, wenn es Ihnen recht ist. Über ihre Kinder- und Jugendfreundin Anna Pisu, von der ich Sie herzlich grüßen soll.«

Die alte Frau riss Mund und Augen auf.

»Annina? Meine Annina! Lebt sie noch? Wie geht es ihr? Kommen Sie herein, kommen Sie, kümmern Sie sich nicht um Toro, er spielt den bösen Wachhund, aber eigentlich ist er ein ganz Lieber.«

Kurz darauf saß Nelly an Signora Amalias Küchentisch, nippte an einem erstklassigen Moscato und knabberte selbstgebackene Kekse. Das Haus gefiel ihr: eine gelungene Mischung aus altem Bauernhaus und bescheidenem Komfort. Der Kamin war in Gebrauch, wie ein Korb voller Feuerholz verriet. Die Wände zierten bunte Keramikteller und ein paar kleine Gobelins. Signora Amalia saß ihr gegenüber und konnte kaum an sich halten vor Neugier. Dann stand sie plötzlich auf und verschwand im Nebenzimmer, kehrte mit einer alten Keksschachtel zurück und stellte sie behutsam wie einen Schatz auf den Tisch. Es waren Fotos und Briefe darin, auch ein paar Postkarten. Sie ging die Fotos durch, suchte einige heraus und hielt Nelly eines hin. Ein vergilbtes Schwarzweißfoto von zwei kleinen Mädchen mit Schürzen und Schleifen im langen Haar. Dahinter das Land. Sie waren mehr oder weniger gleich groß und hatten beide braune Locken, doch die eine hatte helle Augen.

»Sehen Sie, das hier ist Annina. Und das bin ich. Auf diesem Fotos sind wir sechs, nein, warten Sie, sieben Jahre alt. Wir waren in der zweiten Klasse. Das war 1937, wir sind beide Jahrgang dreißig. Und hier«, sie hielt Nelly ein zweites Foto hin, »hier sind wir fünfzehn.



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