Der Butt by Günter Grass

Der Butt by Günter Grass

Autor:Günter Grass [Grass, Günter]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-95829-060-0
Herausgeber: Steidl Verlag
veröffentlicht: 2015-04-28T00:00:00+00:00


Die Küchenmagd Agnes Kurbiella und wir, sagte der Butt, gaben ein klassisches Dreieck ab: jeder Winkel besetzt. Es kann also sein — oder ist so —, daß ich als Anton Möller die schwangere, von mir geschwängerte Agnes gemalt habe, obgleich ich (wenig später) jener Opitz gewesen bin, der vergeblich versucht hat, dieselbe Agnes — kurz vor meinem üblen Verrecken — in barocke Sprache zu setzen. Nachdem ihr das erste Kindchen weggekümmert war, mußte ich, wie der Butt es befahl, meinen Beweis bringen: Zwischen mißglückten Strophen hab ich sie dick gemacht und nicht gefragt, wen Agnes dabei im Sinn hatte: Der soll Axel geheißen haben.

Der Maler, der Dichter. Die beiden mochten sich nicht. Dem Opitz war der Möller zu derb; Möller sah Opitz als dünnbeinige Theorie. Agnes jedoch mußte einen Speisezettel für beide bedenken und den leicht zu verschreckenden Magen des Opitz und die geschwollene Leber des Säufers schonen. Ich wollte ja Maler und Dichter zugleich sein: leichthin mit Rötelkreide und tüftelnd Versfüße zählend.

Was wir an Agnes mochten, war ihre allegorische Leere. Man konnte in sie hineinlegen, was man wollte, immer ließ sie Bedeutung zu. (Sie sah nicht deutlich aus; sie konnte ungefähr aussehen wie.)

Und täglich gab es Milchhirse, mit Honig gesüßt und mit Haselnußkernen für beide gesund gemacht. Agnes wußte, was den Innereien des Malers, des Dichters gleich harmlos war: Brühe aus Rindsknochen, in der spinatgefüllte Maultaschen schwammen, Hühnerbrüstchen mit Zuckererbsen oder auch Biersuppen: Muskat und Zimmet dran.

Aber Möller verlangte, forderte, schrie nach Räucherspeck und fetten Hammelkrüstchen. Und Opitz naschte Kümmel. Er wurde süchtig danach, weil zu viel Kümmel einen Kümmelrausch macht: grünstichige Wachträume, in denen das Jammertal wieder bewohnbar wurde, besiedelt von Nymphen und Musen, die nie geschriebene Verse sangen, in denen Frieden, nur immer der Frieden siegte.

Agnes ließ beide in Fettlebe oder Kümmelsucht verkommen, bis sich dem einen der Magen verkehrte, dem anderen die Leber zur Faust auswuchs. Danach war wieder ihre Schonkost gefragt: Kochfisch, der von der Gräte fiel, Milchhirse und Flinsen aus Buchweizenmehl. Der versoffene Möller, der grämliche Opitz: so behutsam Agnes beide bekochte, sie suchten ganz anderen Geschmack und fanden ihn auch: todsicher.



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