Der Berg des Lichts by Hans Kneifel

Der Berg des Lichts by Hans Kneifel

Autor:Hans Kneifel [Hans Kneifel]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Fantasy
Herausgeber: Pabel Moewig
veröffentlicht: 2011-10-15T22:00:00+00:00


4.

Von den Schultern zur Hüfte wanden sich dünne, geflochtene Sehnentaue. Die beiden Männer waren nur mit Dolchen und Schwertern bewaffnet, die sie auf dem Rücken festgebunden hatten. Necron trug den Rest seiner Wurfdolche. Außerhalb des Quartiers herrschte die Nacht – die seltsam leuchtende, sternenlose Nacht auf dem Berg des Lichts. Lautlos huschten der Shallad und der Steinmann davon. Sie versuchten, ungesehen zu bleiben, und dort wo man sie sehen konnte, selbstverständlich zu wirken. Luxon flüsterte:

»Es wird nicht leicht werden, Necron.«

»Verlasse dich auf mich. Wir schaffen es.«

Ihr Weg führte sie durch die Dunkelheit unter moosbewachsenen Torbögen und durch die schattenlose halbe Helligkeit der Leuchtenden Wolke, im Zickzack bis zu der Baumreihe um den Tempel. Dort blieben sie stehen und sahen sich um.

»Hinauf!«

Sie standen am Stamm des größten und mächtigsten Baumes, auf der Seite, die dem Tempel und der patrouillierenden Wachen abgewandt war. Luxon lehnte sich an die muffig riechende Rinde, bildete mit seinen Händen eine Leiter, und Necron kletterte schnell, lautlos und gewandt hinauf, sich von Luxons Schultern abstoßend.

Dann fielen zwei Seilschlingen herunter, und der Shallad schwang sich auf den untersten Ast.

Sie kletterten schnell aufwärts, bis zu der Stelle, an der sich der Wipfel in drei Äste gabelte. Auf dem dicksten Ast hangelten sie sich weiter, bis sich das Holz zu biegen begann. Necron nahm das Seilbündel von den Schultern, legte die Schlingen sorgfältig um ein Ästchen und begann, vorsichtig den Anker herumzuwirbeln.

»Es geht«, murmelte er. »Jetzt bist du wichtig und deine Künste.«

Luxon legte den versiegelten kleinen Tonkrug in die Lasche der Schleuder, balancierte seinen sicheren Stand aus und entfernte dann von einem dicken, ölgetränkten Docht eine schützende Lehmschicht. Das Ende der Lunte glühte noch, und nach zwanzig heftigen Versuchen, die Glut zu Flammen anzublasen, züngelten kleine Flämmchen auf den Verschluß zu.

»Sehr gut!« kommentierte Necron zufrieden. »Denke daran, du hast nur einen Versuch.«

Er hielt Luxon am Gürtel fest. Luxon tastete sich auf den Ast hinaus, wirbelte die Schleuder zehnmal über seinen Kopf und löste dann einen Riemen. Das brennende Geschoß wirbelte davon, überschlug sich einige Male, als es eine hohe, gekrümmte Flugbahn beschrieb, und zerplatzte mit klirrendem Geräusch rechts auf den Stufen des Tempels, auf der anderen Seite des Bauwerks.

Sofort breiteten sich Flammen aus.

Die Flammen verwandelten sich in fetten, schwarzen Rauch, der sich nach allen Seiten ausdehnte und schauerlich stank. Die Posten riefen sich Warnungen zu, rannten in Panik zuerst auseinander, dann stoben sie auf die Flammen und den Rauchpilz zu.

Jetzt schleuderte Necron den Wurfanker.

Schon beim ersten Versuch wickelte sich das eiserne Geschoß um eine Säule, auf der ein häßlicher Dämon aus Vulkangestein hockte und die Fremden böse anzustarren schien.

»Wagen wir’s?«

»Es bleibt keine andere Wahl.«

Der Rauch des verbrennenden Öls breitete sich aus. Necron knotete das Seil, das leicht durchhing, am Stamm fest. Dann begann er sich hinüberzuhangeln. Luxon folgte in zwei Mannslängen Abstand. Der leichte Wind, der ständig durch das runde Tal kreiselte, schob den dunkelgrauen Rauch in ihrer Richtung – und ihre Bewegungen wurden schneller und hastiger.

Das Seil senkte sich abwärts und federte durch. Gleichzeitig schaukelte es hin und her.



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