Der Ausweg aus der Krise by Krugman Paul

Der Ausweg aus der Krise by Krugman Paul

Autor:Krugman, Paul [Krugman, Paul]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-10-10T04:00:00+00:00


Die Große Täuschung

Über die amerikanische Krise wird vielerorts behauptet, der Staat selbst sei Verursacher der Krise, weil er den Fehler gemacht habe, den sozial Benachteiligten helfen zu wollen. (Diese »Große Lüge« der Finanzkrise, wie sie der Blogger und Fondsmanager Barry Ritholtz nannte, habe ich gerade erst in meinem aktuellen Buch Vergesst die Krise entlarvt.) Auch in Europa werden falsche Darstellungen über die Ursachen der Krise verbreitet, die eine echte Lösung der Probleme verhindern und zu politischen Maßnahmen führen, welche die Lage nur noch verschlimmern.

Ich glaube allerdings nicht, dass die europäischen Vertreter dieser falschen Doktrin mit demselben Zynismus zu Werke gehen wie ihre amerikanischen Kollegen. Ich kann zumindest nicht erkennen, dass in Europa mit derselben Dreistigkeit Daten frisiert werden wie in den Vereinigten Staaten, und nehme an, dass die meisten Politiker wirklich glauben, was sie da von sich geben. Deshalb spreche ich in diesem Fall nicht von der Großen Lüge, sondern von der Großen Täuschung. Das macht die Doktrin allerdings nicht besser: Sie ist trotzdem grundfalsch, und ihre Vertreter weigern sich mit derselben Hartnäckigkeit wie es die Republikaner in den USA tun, Gegenbeweise zur Kenntnis zu nehmen.

Europas Große Täuschung besteht in dem Glauben, dass die Krise durch unverantwortliche Haushaltsführung zustande kam. Einige Mitgliedstaaten hätten riesige Haushaltsdefizite angehäuft und sich immer weiter verschuldet, so die Mär, und nun gehe es darum, Regeln aufzustellen, um zu verhindern, dass es jemals wieder dazu kommt.

Sie könnten jetzt einwenden, dass das auf Griechenland doch wirklich zutrifft. Das stimmt zwar, aber selbst die griechische Geschichte ist komplizierter. In den übrigen Krisenstaaten war dies jedenfalls nicht der Fall, und wenn es sich nur um ein griechisches Problem handeln würde, dann hätte die Krise niemals dieses Ausmaß angenommen. Die griechische Wirtschaft ist klein und macht gerade einmal 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der Eurostaaten und 8 Prozent des Bruttoinlandsprodukts der in der Krise befindlichen Eurostaaten aus.

Die »Hellenisierung« der europäischen Diskussion ist irreführend. Im Falle von Portugal könnte man vielleicht noch von einer unverantwortlichen Haushaltsführung sprechen, auch wenn diese niemals ein vergleichbares Ausmaß angenommen hat. Irland hatte dagegen vor der Krise einen Haushaltsüberschuss und eine niedrige Staatsverschuldung: Noch im Jahr 2006 lobte George Osborne, heute britischer Schatzkanzler, das Land als »leuchtendes Vorbild für die Kunst des Möglichen bei der langfristigen Gestaltung der Wirtschaftspolitik«. Auch Spanien hatte einen Haushaltsüberschuss und wenig Schulden. Italien hatte aus den 1970er und 80er Jahren, als die Politik tatsächlich unverantwortlich war, einen Schuldenberg geerbt, doch es hatte den Anteil der Schulden am Bruttoinlandsprodukt seither stetig gesenkt.

Wie passt das alles zusammen? Das wird klar, wenn man sich die Entwicklung des Schuldenanteils am Bruttoinlandsprodukt in den GIPSI-Staaten anschaut. Bis einschließlich 2007 nämlich ging dieser Anteil konstant zurück, das heißt, dass diese Länder als Gruppe keineswegs verschwenderisch waren, sondern nach und nach ihre Haushalte sanierten. Die Schulden explodierten erst mit Beginn der Krise.

Doch viele europäische Verantwortliche, allen voran deutsche Politiker, die Führung der Europäischen Zentralbank und die Meinungsführer in der Finanzwelt, wiederholen gebetsmühlenartig die Große Täuschung und lassen sich auch von handfesten Gegenbeweisen nicht erschüttern. Sie kleiden das Problem gern



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