Dein bis in den Tod by Gunnar Staalesen

Dein bis in den Tod by Gunnar Staalesen

Autor:Gunnar Staalesen [Staalesen, Gunnar]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
veröffentlicht: 2013-02-04T05:00:00+00:00


30

Hamre betrachtete mich mit Sarkasmus im Blick. »Du siehst nicht gerade fit aus«, meinte er.

»Ich? Ich habe mich lange nicht mehr so gut gefühlt.« Aber das sagte mehr darüber aus, wie ich mich in der letzten Zeit gefühlt hatte, als wie es mir jetzt ging. Außerdem war es gelogen. Whisky hat die Angewohnheit, am Tag danach wie die Asche alter Zeitungen zu schmecken, und man kriegt ihn nicht weggespült. Das hatte ich seit langem aufgegeben.

Hamre saß auf der rechtmäßigen Seite eines dieser typischen Schreibtische in einem dieser typischen Büros, die null Atmosphäre ausstrahlen. Die Wände waren grauweiß wie immer, die Bücher waren dieselben, die Aussicht auch. Eine prachtvolle und inspirierende Aussicht: direkt in die mittlere Etage eines Bankgebäudes von der tristesten Sorte.

Ich saß auf der Kundenseite, zusammen mit den Schatten aller Verdächtigten, aller Augenzeugen, all derer, von denen sie sich wichtige Informationen versprachen. Der Sessel war nicht bequem, aber das sollte er auch nicht sein. Es war ein Sessel, aus dem man sich fortwünschen sollte, damit man gleich zur Sache kam und nicht zu lange um den heißen Brei herumredete.

Hamre reichte mir ein Formular mit einer Abschrift dessen, was ich am Tatort, am Mordabend gesagt hatte. »Du musst deine persönlichen Daten oben eintragen«, sagte er. »Sonst ist es hoffentlich in Ordnung.«

Ich las es durch. Es war ein widerspenstiges Manuskript, und die Buchstaben tanzten vor meinen müden Augen. Aber was dort stand, war an und für sich in Ordnung.

Während ich die oberen Rubriken ausfüllte und unten unterschrieb, sagte Hamre: »Er hatte eine Geliebte. Wusstest du das?«

»Äh – wer?«, fragte ich.

»Der Papst«, sagte er. »Über wen sprechen wir denn wohl?«

»Ach, der Papst. Ich dachte, der hätte sich rasiert?«

Hamre hantierte mit einem grünen, durchsichtigen Plastiklineal herum. Er bewegte es sorgfältig von links nach rechts. Dann betrachtete er es einige Sekunden lang – und schob es wieder zurück. Wahrscheinlich war das seine Art, bis zehn zu zählen. Er sagte: »Jonas Andresen hatte eine Geliebte. Wusstest du das?«

Ich sah ihn schuldbewusst an und er sagte: »Du wusstest es. Warum hast du es uns nicht sofort gesagt?«

Ich sagte: »Ich wusste nicht – wie sie heißt. Außerdem war es schwierig, weil Wenche – weil Frau Andresen dabei war.«

»Wie gut seid ihr eigentlich befreundet?«

»Wer?«

»Wenche Andresen und du?«

»Wir? Wir kennen uns seit einer knappen Woche. Wir hatten noch nicht einmal Zeit, Freunde zu werden.«

»Das muss aber nicht bedeuten, dass du nicht mit ihr geschlafen hast.«

»Nein, muss es nicht. Bedeutet es aber. In diesem Fall.«

»Die Tatsache, dass du sie laufen sahst, dass du Jonas Andresen zur Tür gehen sahst, et cetera, wie du erzählt hast …« Er nickte zu dem unterschriebenen Papier hin. »Das war nicht eine Art – Freundschaftsdienst?« Er ließ die Frage eine Weile in der Luft hängen. »Du hast es tatsächlich gesehen?«

Ich war nicht gut genug in Form für solche Fragen. Ich sagte: »Ja, ich habe es gesehen, und es war kein Freundschaftsdienst. Wenn ich ihr wirklich hätte einen Freundschaftsdienst erweisen wollen, dann hätte ich es besser gemacht. Ich hätte zum Beispiel Joker, Johan Pedersen, nicht gleichzeitig ein Alibi verschafft.



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