Das verschlossene Zimmer by Vassena Mascha

Das verschlossene Zimmer by Vassena Mascha

Autor:Vassena, Mascha [Vassena, Mascha]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783492970327
Herausgeber: Piper
veröffentlicht: 2015-07-15T16:00:00+00:00


Kapitel 20

Venedig 1982

* * *

Der Palazzo Orlandi leuchtete wie ein Ozeandampfer in der Nacht. In allen Räumen strahlten die Kronleuchter, und zum ersten Mal seit Langem war das Gebäude von Reden, Lachen und Gläserklingen erfüllt. Mehr als zweihundert Gäste hatten sich eingefunden, wie Beatrice Vincenzo ins Ohr flüsterte, während sie an seinem Arm am oberen Ende der Treppe stand, um die Ankommenden zu begrüßen. Und alle seien sie nur da, um ihn spielen zu hören.

Daran hegte Vincenzo gewisse Zweifel, doch er freute sich darauf, endlich einmal wieder vor Publikum auftreten zu können, und der Palazzo bildete dafür einen mehr als angemessenen Rahmen. Seit der Hochzeit im Februar hatte er nur wenige kleine Konzerte gegeben, keines davon auch nur annähernd so glanzvoll, wie dieses hier sein würde. Das Publikum bestand aus der Crème de la Crème von Venedig, alter Adel gemischt mit neuem Geld, und sicher würden sie reichlich für das Vorhaben spenden, das er und Beatrice gemeinsam ausgearbeitet hatten.

Er hatte eines Abends davon gesprochen, wie nötig Venedig eine Musikschule für die Kinder der weniger gut situierten Leute habe, und Beatrice hatte sich auf diese Idee gestürzt wie ein hungriger Karpfen auf einen Wurm. Vincenzo waren die Gründe für ihre Begeisterung bewusst: Mit diesem Projekt konnte sie sich in den wohltätigen Kreisen der Stadt profilieren. Kunst verbunden mit sozialem Engagement, um diese Idee konnte man sie nur beneiden. Mit Feuereifer hatte sie sich darangemacht, eine Soiree vorzubereiten, bei der Geld gesammelt und ein Stiftungskomitee zusammengestellt werden sollte – man würde sich um die Plätze geradezu reißen, hatte sie Vincenzo versprochen.

So unterschiedlich ihre Beweggründe waren, zogen sie doch am selben Strang, und das gab ihnen neue Energie. Endlich wieder ein Ziel vor Augen zu haben, etwas, wofür er sich einsetzen konnte, tat Vincenzo ungeheuer gut. Seit der Hochzeit und seinem Einzug in den Palazzo hatte er sich nutzlos, sogar überflüssig gefühlt. Seine vielversprechende Karriere als Solist war versandet, weil Beatrice jetzt, da sie schwanger war, auf seine ständige Anwesenheit bestand. Er hatte sich geradezu erstickt gefühlt, und die Zusammenkünfte mit Gabriella, seinem süßen kleinen Teufel, schienen ihm das einzig Erfreuliche in seinem Leben zu sein. Doch selbst die konnten das Gefühl, überflüssig zu sein, nicht ausgleichen.

Er wandte den Kopf, um Gabriella zu beobachten, die etwas entfernt bei ihrem Vater stand und sich an ihn schmiegte. Ermano Orlandi war immer noch eine mächtige Erscheinung, und das Zittern, das seit einigen Monaten seine Hände befallen hatte, wusste er gut zu verbergen, indem er die Arme auf dem Rücken hielt und seiner Tochter das Händeschütteln überließ.

Gabriella sah hinreißend aus in ihrem schlichten weißen Kleid, das an ihr herabfloss wie Wasser und dessen hochgeschlossene Vorderseite den tiefen Rückenausschnitt noch verführerischer machte. Obwohl noch so jung, war sie bereits mit jeder Faser eine Frau, mehr, als Beatrice es je sein würde. Er korrigierte sich: Die beiden Schwestern waren einfach ganz unterschiedliche Persönlichkeiten, und auch Beatrice hatte eine weiche, sinnliche Seite, die allerdings nur selten zum Vorschein kam. Nach außen hin oft schroff und herrisch, zeigte Beatrice sich ihm gegenüber fürsorglich und im Bett auch leidenschaftlich.



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