Das Sonnentau-Kind by Sandra Lüpkes

Das Sonnentau-Kind by Sandra Lüpkes

Autor:Sandra Lüpkes [Lüpkes, Sandra]
Die sprache: de
Format: mobi, epub
Tags: Spionage, Belletristik/Krimis, Thriller
Herausgeber: Rowohlt Digitalbuch
veröffentlicht: 2012-01-16T19:15:56+00:00


Moordorf, an der Ampel Bundesstraße 72

sauber und geordnet

Hier ist es aber nett. Ich kann es kaum glauben, dass ich endlich da bin. Es gibt hier eine Uhr, die so ähnlich ist wie die im Bahnhof in Arad. Als ich ankomme, zeigt sie 10 : 38.

Nun stehe ich todmüde in der Fremde und gucke mich um. Eine breite Straße kreuzt eine noch breitere, viele große Autos, ein paar Geschäfte mit Klamotten, eine Kirche aus roten Steinen, hinten weiter ein Bäcker, im Schaufenster liegen Brote, wie ich sie noch nie gesehen habe. Mit Getreide obendrauf.

Stück für Stück habe ich mich diesem Ort genähert. Erst die Landstraße von Arad zur ungarischen Grenze, dann die Raststätte bei Prag. Und auf einem Parkplatz irgendwo in der Nähe der Stadt, die Hamburg heißt, bin ich mitten in der Nacht von Wasserfalls Ladefläche gekrochen und habe mich erst einmal eine Stunde lang bewegt. Bin gelaufen, in diesen Wald hinter den Parkplätzen, ein ganzes Stück weit hinein zwischen die Bäume. Überall lag Scheiße herum und Klopapier. So habe ich mir Deutschland nicht vorgestellt. Doch ein paar Schritte weiter war es ganz sauber. Aber auch ziemlich dunkel, nur ein halber Mond und keine Laternen. Ich bin einfach gelaufen. Es tat gut, denn die Nacht auf dem schmutzigen Boden hat meine Klamotten durchgescheuert, ich glaube, meine Schultern bluten vom Auf-dem-Rücken-Liegen. Deswegen war der Marsch in die Natur echte Erholung. Ich bin ja nicht empfindlich, habe oft genug auf hartem Untergrund geschlafen, aber die Fahrt in Wasserfalls Lkw war echt zu viel.

Du willst sicher wissen, wie ich dann von diesem Parkplatz nach Moordorf gekommen bin.

Ehrlich gesagt, das hatte ich mir auch einfacher – oder zumindest ganz anders – gedacht. Denn ich hatte mir ja Moordorf viel größer und viel wichtiger vorgestellt. Und nachdem ich Wasserfall in seiner Pinkelpause das Portemonnaie aus dem Auto gestohlen habe, dachte ich auch noch, ich kaufe mir von dem Haufen Geld jetzt eine Busfahrkarte und später eine für den Zug, und dann stehe ich in den nächsten Stunden auf einem großen Bahnhof in Moordorf. Aber kein Mensch weiß, wo Moordorf liegt.

Einige Kilometer hinter dem Autobahnparkplatz fand ich eine Bushaltestelle, die mitten in der öden Landschaft lag. Ich stellte mich hin und wartete. Die Sonne ging auf, die Vögel waren laut und lustig, die Wiesen um mich herum waren so grün, so etwas habe ich noch nie gesehen. Als der Busfahrer kam, habe ich «Moordorf» gesagt, und er hat mich verständnislos angesehen. Dann habe ich deinen Brief aus der Tasche gekramt und ihm den Absender gezeigt. Er hat den Kopf geschüttelt und etwas Unverständliches gesagt. Ich bin aber trotzdem mitgefahren. Schließlich wäre es auch nicht schlau gewesen, einfach dort stehen zu bleiben.

Wir hielten in einer Stadt, die Bremen hieß. Am Bahnhof, zum Glück. Vor Bahnhöfen habe ich nicht so viel Angst wie vor grünen Landschaften. Ich habe lange gesucht, bis ich herausgefunden habe, wo man die Fahrkarten kaufen kann, und dann habe ich der Frau gleich den Umschlag gezeigt. Sie hat mir wieder etwas in Deutsch erklärt, und als sie merkte, dass ich nichts verstehe, hat sie mir einen Zettel geschrieben.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.