Das Säuseln im Wald: Wenn dich die Vergangenheit einholt, musst du stark sein – oder sterben … (German Edition) by Andreas Roschak

Das Säuseln im Wald: Wenn dich die Vergangenheit einholt, musst du stark sein – oder sterben … (German Edition) by Andreas Roschak

Autor:Andreas Roschak [Roschak, Andreas]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Devilll-Books Selfpublishing
veröffentlicht: 2015-03-08T16:00:00+00:00


16. Der B-Plan

Pauline blieb an diesem Abend nicht lange bewusstlos. Das Erwachen war schrecklich gewesen, überall Blut. Sie lag auf dem Brustkorb des Mannes, der sie einst gezeugt hatte. Gebrochene Augen sahen durch sie hindurch. Sie schluchzte laut.

Es ist also passiert, wirklich passiert?

Das hatte sie nicht gewollt. Sie hatte ihre Eltern ermordet, im Affekt zwar, aber es blieb doch Mord, oder?

Einerlei, sie konnte es (wollte sie es denn?) kaum rückgängig machen, soviel stand fest. Pauline bezwang an diesem Abend den plötzlichen Drang, auf die Straße zu rennen, um sich vor den nächsten Bus zu werfen. Stattdessen versuchte sie die Flasche Chardonnay aus ihres Vaters toten Händen zu winden. Die Finger hatten sich im Todeskampf fest um den Flaschenhals geschlossen. Es war schwer, sie zu lösen. Sie zog heftig daran, hielt mit der freien Hand den Arm ihres Vaters zurück.

Selbst im Tod ist dir der Wein noch wichtig, Daddy?

Dunkles Blut und eine andere, hellrote Flüssigkeit rannen aus der großen Wunde in Vaters Bauch. Ein zerstochenes Stück Darm rutschte durch die geöffnete Bauchhöhle, schlängelte sich auf den Marmorboden bis nachrückende Teile die Wunde verstopften. Es stank nach Blut und Exkrementen. Pauline musste unwillkürlich an das Wort Darmverschluss denken. Es bekam in dem Augenblick eine völlig neue Bedeutung.

Sie kicherte irre, bekam die Flasche frei und verlor sich in einem Lachflash – sie weinte schwere, verzweifelte Tränen und dabei lachte sie und lachte, ohne Atem holen zu können. Ihr Bauch schmerzte, ihre Lungen brannten und die Augen flossen über. Pauline lachte bis sie sich fast erbrach, dann war es vorbei. Die Frau hockte auf allen Vieren auf dem Boden, der Rock verrutscht, die Strumpfhose zerrissen starrte sie auf die blutverschmierte Flasche in ihren Händen und ließ die Trauer, die seit Langem in ihrem Innern gelauert hat wie ein wildes Tier, aus dem Käfig. Eine Mauer aus Verzweiflung brach über Pauline zusammen und begrub das kleine Kind und die erwachsene Frau gleichermaßen unter dem Geröll der Depressionen und Steinen, geschlagen aus tiefster Trauer. Es dauerte lange. Fast eine Stunde verharrte sie in diesem apathischen Zustand.

Erst dann fand sie Kraft und erhob sich. Müde blickte Pauline sich um – als ob sie sich vergewissern müsste, dass sie das alles nicht nur geträumt hatte. Den Wein warf sie achtlos beiseite. Sie hörte die Flasche an der Wand zerschellen. Gedankenverloren schritt sie in der Küche an Mutters Leiche (Es tut mir so leid, Mammi, so leid …) vorbei und stellte den Gasherd ab. Aus dem Deckel des Bräters stiegen bereits schwarze Rauchfäden auf. Die Luft war geschwängert mit dem Gestank vom verkohlenden Rinderbraten.

Mit schlafwandlerischer Gelassenheit ging sie zur Treppe im Eingangsbereich zurück. Unendlich erschöpft. Die Gemälde glitten an ihr vorbei, sie grüßte jedes einzelne davon.

Laut klickten die Absätze Paulines hoher Lederstiefel auf dem harten Marmor, als sie langsamen Schrittes zur Tür hinausging. Dieses Haus war zusammen mit ihren Eltern für sie gestorben. Hier gab es nur noch dunkle Erinnerungen.

Sie hatte einen neuen Plan gefasst. Und es war ihr egal, wie diese Sache jetzt ausgehen würde. Pauline hatte doch nur mit ihnen reden wollen, mehr nicht.



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