Das Kosmotop: Roman (German Edition) by Andreas Brandhorst

Das Kosmotop: Roman (German Edition) by Andreas Brandhorst

Autor:Andreas Brandhorst
Die sprache: deu
Format: azw3, epub, mobi
Herausgeber: E-Books der Verlagsgruppe Random House GmbH
veröffentlicht: 2014-06-08T22:00:00+00:00


BLUT UND TRÄNEN

38

Erinnerungen und Gedanken, fremde und eigene, wie vom Wind aufgewirbeltes welkes Laub … Das habe ich schon einmal gedacht, dachte Corwain. Und: Wenn ich denken kann, muss ich einen Kopf haben, aber ich fühle ihn nicht, ebenso wenig wie den Rest meines Körpers. Er fiel, er stürzte, sechsunddreißig Millionen Kilometer tief, zwei Lichtminuten, und am Ende dieses langen Falls – was erwartete ihn dort? Ein Aufprall so heftig, dass er nicht einfach zerschmettert, sondern regelrecht pulverisiert wurde? Vielleicht hätte er sich fürchten oder sogar in Panik geraten sollen, aber stattdessen kam herrliche Ruhe über ihn, so wie damals auf Puente …

Ein Himmel wie aus Perlmutt, sein Licht geschaffen vom Strahlen vieler Millionen Sonnen im nahen galaktischen Kern, eine Welt mit einer Nacht, die fast so hell ist wie der Tag. Hier stehen sie, Corwain und Solace – und nicht nur sie –, unter dem in der ganzen Galaxis berühmten »Wunder von Puente«, zwei goldenen Bögen, die mit einer Höhe von elf Kilometern bis in die Stratosphäre ragen. Sie sind nur hundert Meter breit und wirken aus der Ferne zart und fragil, aber ihre Nähe macht sie beeindruckend massiv. Die Sockel der Bögen, zwanzig Kilometer voneinander entfernt, bestehen aus einem Material härter als Diamant und stabiler als Syntho. Ein Bogen erhebt sich genau senkrecht; der andere ist geneigt und scheint sich an ihn zu lehnen.

Corwain und Solace sind nicht die einzigen Besucher. Tausende von anderen Außenweltlern stehen bei und unter den Bögen oder fliegen mit kleinen Schwebern an ihnen entlang, ohne ihnen näher als etwa fünfzig Meter zu kommen – das ist die zulässige Minimaldistanz; Schutzfelder sorgen dafür, dass sie nicht unterschritten wird. Corwain sieht die anderen Besucher, er hört sie auch, ihre bewundernden Stimmen, hier und dort einen entzückten Ausruf, nachdem jemand einen Bogen berührt und gelauscht hat, aber trotzdem hat er das Gefühl, mit Solace allein zu sein. Er blickt am senkrechten Hauptbogen hoch und beobachtet das Glitzern und Funkeln des Lichts. Der Raum zwischen den Bögen … die Luft scheint darin zu flimmern, und für einen Moment hat er den Eindruck, dort nicht nur die Gipfel der fernen Berge zu sehen, sondern andere Himmel, andere Welten. Ruhe senkt sich auf ihn herab, und er empfängt sie mit einem tiefen Atemzug.

Spürst du es?, fragt Solace. Fühlst du den Frieden?

Ja, antwortet er. Ich höre die Stimmen der anderen Besucher, und doch … ist es so still wie auf meinem Asteroiden.

Diese Bögen sind fast so alt wie die X-Artefakte, sagt Solace, in ihren großen Augen das Gelbbraun faszinierter Aufmerksamkeit. Die Sockel haben Wurzeln, die bis in den glutflüssigen Kern von Puente reichen. Sie ähneln den Zapfern der Kompetenz. Kennst du die Legenden der hiesigen Lhari, die vor vielen Jahrmillionen von den Sternen kamen und deren Nachfahren auf eine primitive Entwicklungsstufe zurückfielen?

Eins der Retro-Völker, erinnert sich Corwain; er wendet – widerstrebend – den Blick von den Bögen ab und schaut zu den Bergen, an deren Hängen dunkle Öffnungen Zugang zu einem weit verzweigten Höhlensystem gestatten. Dort leben die Nachfahren der



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