Das Kloster der Ketzer by Rainer M Schroeder

Das Kloster der Ketzer by Rainer M Schroeder

Autor:Rainer M Schroeder [Schroeder, Rainer M]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-09-27T17:00:00+00:00


13

Am frühen Nachmittag des folgenden Tages begann Bruder Scriptoris mit dem Druck einer der letzten Seiten von den Bekenntnissen des heiligen Augustinus. Sebastian hatte zusammen mit Pachomius alle Hände voll zu tun, um die Bögen vor dem Druck anzufeuchten, dem Mönch an der Presse rasch genug zur Hand zu gehen und die noch druckfeuchten Blätter sorgfältig zum Trocknen auf die Leinen zu hängen, die sie fünf Reihen tief der Länge nach durch die Werkstatt gespannt hatten. Zum Glück handelte es sich bei den Handreichungen um Arbeiten, die wenig Anforderung an den Geist stellten und die er mittlerweile im Schlaf beherrschte. Und während seine Hände geschickt und geübt taten, was getan werden musste, konnten sich seine Gedanken zwischendurch immer wieder auf Wanderschaft begeben, mit brennender Sehnsucht bei Lauretia weilen und sich in düsteren Grübeleien über sein weiteres Schicksal ergehen. Der Kapuzenmann hatte ihn zwar mit der Versicherung ins Kloster geschickt, dass er sich dort nur für relativ kurze Zeit zu verstecken brauchte. Aber er hatte ihm nicht verraten, auf welch ein Ereignis er denn wartete oder hinarbeitete, damit er, Sebastian, sich nicht länger in Gefahr befand und endlich wieder unbeschwert seiner eigenen Wege gehen konnte.

Es wurde kaum gesprochen. Der Mönch, der die gemeinsame Arbeitszeit in der Werkstatt gewöhnlich für religiöse Unterweisungen nutzte, beschränkte sich in diesen Stunden auf sehr knappe Anweisungen. Gelegentlich gab er einen ungeduldigen Zischlauf von sich oder äußerte eine scharfe Ermahnung, wenn ihm etwas nicht schnell genug ging. Mehr kam jedoch nicht über seine Lippen.

Stumm arbeiteten Sebastian und Pachomius ihm zu. Sie wussten nur zu gut, was sie von seinem wortkargen und leicht gereizten Gebaren zu halten hatten. Wenn es ans Drucken ging, befiel den Novizenmeister stets eine nervöse Anspannung. Er sorgte sich bei jedem handgeschöpften Bogen Papier, der auf den Deckel kam, ob er die schwarze Farbe mit dem pilzförmigen Druckerballen wohl auch gleichmäßig auf die Lettern aufgebracht und dann den Tiegel mit dem Bengel auch kräftig genug auf den Satz gepresst hatte.

Ausgerechnet in dem Moment, als Bruder Scriptoris einen fehlerhaften Druck aus dem Deckel nahm und feststellte, dass einer der Druckballen Risse aufwies, tauchte unerwartet Bruder Sulpicius bei ihnen auf. Der dickleibige Prior hätte sich keinen ungünstigeren Moment für seinen Besuch in der Werkstatt aussuchen können.

»Habt Ihr schon die Neuigkeit von dem Prozess gehört, Bruder Scriptoris?«, fragte er beschwingt, ja fast triumphierend. »Ich komme gerade aus Passau zurück, und ich denke, Euch gebührt es zuerst, die Nachricht von mir zu erfahren.«

Der Novizenmeister wandte sich ihm widerwillig zu. »Dass die beiden Wiedertäufer heute Morgen zum Tode verurteilt worden sind und in den nächsten Tagen vor der Stadt hingerichtet werden sollen, weiß ich bereits!«, blaffte er gereizt. »Da ist Euch leider ein einfacher Stallknecht zuvorgekommen, werter Bruder Sulpicius!«

Sebastian krampfte sich der Magen zusammen, als er dies hörte. Das Urteil war also gefällt! Nun wartete auf die Ketzer der Scheiterhaufen – oder der gnädige Streich des Richtschwertes, sofern sie noch in letzter Minute bereuten und ihrer Ketzerlehre abschworen. Und er fragte sich, ob der Prozess gegen die Wiedertäufer wohl



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