Das Dorf der toten Seelen by Camilla Sten

Das Dorf der toten Seelen by Camilla Sten

Autor:Camilla Sten
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783959679442
Herausgeber: HarperCollins


Heute

Ich rieche den beißenden Rauch schon, bevor ich ihn sehe.

Ich muss husten. Wir rennen zum Marktplatz. Eigentlich bin ich ziemlich gut in Form, aber das Atmen fällt mir schwer, sodass ich zurückfalle. Robert wartet nicht auf mich.

Eine dicke schwarze Rauchsäule erhebt sich über dem Platz.

Robert schert sich nicht darum, was aus Tone oder mir wird oder ob er sich selbst in Gefahr damit bringt. Er läuft geradewegs zu Emmy.

Ich atme einige Male tief ein, inhaliere zu viel Rauch und muss wieder husten, während ich versuche, ihn einzuholen.

Vor uns bietet sich ein Bild wie aus einem Kriegsfilm. Die verkohlten Überreste des einen Kastenwagens sind über den gesamten Platz verstreut.

Unsere Habseligkeiten brennen noch immer, von ihnen kommt der himmelwärts steigende Qualm. Der zweite Wagen wurde von der Druckwelle erfasst, er liegt auf der Seite. Die weiße Karosserie ist von Rußflecken übersät und die Reifen scheinen vor Hitze geschmolzen zu sein. Max’ Volvo ist von der Druckwelle beiseite gefegt worden und klebt an der Wand des Rathauses. Die blaue Metallkarosserie sieht aus wie von der Hand eines Riesen zerdrückt.

Die Heidebüschel auf dem Pflaster haben Feuer gefangen. Ihre flackernden, dünnen Flammen sehen aus, als wollten sie nach Luft schnappen.

In meinen Ohren klingelt es noch immer.

Ich sehe Max und Emmy, die vom anderen Ende des Marktplatzes her angelaufen kommen. Wie sie plötzlich stehen bleiben. Emmys Haare haben sich aus dem Pferdeschwanz gelöst und bauschen sich hennarot und zerzaust um ihren Kopf. Über das Chaos hinweg begegnen sich unsere Blicke.

Unsere Sachen brennen noch immer so, als hätten sie gerade erst Feuer gefangen, aber ich kann sehen, dass sie allmählich von den Flammen verzehrt und schwarz werden. Es lässt sich kaum noch erkennen, um welche Gegenstände es sich gehandelt hat.

»Emmy!«, ruft Robert lauthals.

Ich kann erkennen, dass Emmy nach Max’ Arm fasst und etwas zu ihm sagt. Jetzt gehen sie vorsichtig auf uns zu. Sie halten sich dicht an den Gebäuden, in weiträumigem Abstand zu den Flammen, die immer noch über das Kopfsteinpflaster lecken.

Als sie uns erreicht haben, reißt Robert Emmy in seine Arme und umschlingt sie so fest, als wollte er sie zerquetschen. Emmy erwidert die Umarmung mit geschlossenen Augen. Keiner von beiden sagt etwas.

Ich verspüre einen leisen Stich bei ihrem Anblick, und der Schmerz verstärkt sich, als Max mich ebenfalls in den Arm nimmt. Es kommt mir komisch vor und fühlt sich irgendwie falsch an. Ich löse mich aus seiner Umarmung.

Emmy lässt Robert los und sieht mich scharf an.

»Hier können wir nicht bleiben. Das zweite Auto könnte auch noch explodieren.«

»Was geht hier bloß vor?«, sage ich. An wen ich meine Worte richte, weiß ich nicht. An Emmy? An die anderen? Oder gar an diesen ganzen Ort, Silvertjärn?

»Ich habe keine Ahnung«, erwidert Emmy. »Aber wir sollten uns zuerst in Sicherheit bringen, bevor wir der Sache auf den Grund gehen.«

Sie streicht sich ein paar Haarsträhnen hinter die Ohren und sucht Roberts Blick. Er nickt.

Ein metallisches Knacken ertönt, als etwas in dem auf der Seite liegenden Kastenwagen nachgibt.

Ich kenne mich mit Explosionen nicht aus. Ich weiß nur, dass ich lieber mehr Abstand zwischen mich und den Wagen bringen will.



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