Dark Sights: Horror-Stories (German Edition) by Karin Elisabeth

Dark Sights: Horror-Stories (German Edition) by Karin Elisabeth

Autor:Karin Elisabeth [Elisabeth, Karin]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Amrûn Verlag
veröffentlicht: 2018-03-29T00:00:00+00:00


BABA JAGA

Alexej Petrow war an diesem Ostersonntag in den Wald gekommen, um seinem Leben ein Ende zu machen. Er hatte in der letzten Woche seine Arbeit in der Gärtnerei verloren und noch niemandem davon erzählt. Er hatte es nicht über sich gebracht. Wieder hatte er versagt und nun fürchtete er sich vor den Blicken derjenigen, die er wieder enttäuschen musste, den Blicken voller Mitleid und Verzweiflung, aber auch verhohlener Verständnislosigkeit. Ein Versager vom Tag seiner Geburt an, das hatte sein Vater immer gesagt.

Und so war er der Überzeugung, es sei für alle das Beste, wenn er nicht mehr wäre. Seine Frau konnte einen anderen heiraten. Es gab genügend, die sich für sie interessieren würden, wenn sie erst von der Last seiner Existenz befreit war. Die sich jetzt schon für sie interessierten. Wie die Geier kreisten sie schon lange über ihm, die Besseren. Sie musste sich nur einen aussuchen, einen, der den Kindern ein Vorbild sein und ihnen alles Wichtige beibringen konnte. All das, was Alexej niemals gelernt hatte.

In seinem Rucksack hatte er das Seil. Dass er sich erhängen würde, stand seit Tagen fest, und dass es an einem Ort sein musste, wo die Kinder ihn keinesfalls finden konnten. Sich im Haus oder in der Garage aufzuhängen, ausgerechnet an Ostern, das war unmöglich.

Und so ging er durch den Wald, und die Frühlingssonne flutete durch die Baumkronen und malte Muster auf den Waldboden. Alexej nahm ihr lustiges Spiel nicht mehr wahr. Alles, wonach er suchte, war ein Baum mit einem starken Ast, an den er sein Seil knüpfen konnte.

Sein trostloser Weg führte ihn zu einer Lichtung, in deren Mitte nur ein einziger Baum wuchs. Eine alte, starke Buche, die ihm perfekt erschien für das Schreckliche, das er vorhatte. Die Schlinge hatte er bereits gemacht, sie musste nur noch festgebunden werden, und schnell hatte Alexej den richtigen Ast dafür gefunden. Einen, der nicht brechen würde unter seinem Gewicht. Einen, der ihn in das Vergessen tragen würde, nach dem er sich an diesem schönen Ostersonntag so sehr sehnte.

Er öffnete den Reißverschluss des Rucksacks und wollte das Seil herausnehmen, da kam mit einem Mal ein unnatürlich starker Wind auf, ein bitterkalter Wind, wie man ihn sonst nur von schweren Herbststürmen her kennt. Der Wind fuhr so heftig durch die Krone des Baumes, dass kleine Äste brachen und Alexej sich in einem Regen von Blättern wiederfand.

So plötzlich, wie es gekommen war, verging das seltsame Phänomen, doch eine Unruhe blieb zurück und hielt Alexej davon ab, seinen Vorbereitungen weiter nachzugehen. Das unheimliche Gefühl, nicht mehr allein zu sein.

»Ist da jemand?«, rief er in den Wald hinein, denn keinesfalls wollte er riskieren, bei dem, was er plante, einen Zeugen zu haben oder, schlimmer noch und auch wahrscheinlicher, einen Retter. Und wirklich trat da jemand aus dem Unterholz hervor. Ein junges Mädchen, so schien es, mit erst zart sich entwickelnden Rundungen und honigblondem Haar.

Schnell verbarg er das Seil wieder im Rucksack – keinesfalls durfte dieses schöne Wesen, das auf sonderbare Weise den Weg ausgerechnet zu diesem Ort gefunden hatte, ahnen, was hier geschehen sollte.



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