Dan Henrys Flucht by Stig Ericson

Dan Henrys Flucht by Stig Ericson

Autor:Stig Ericson [Ericson, Stig]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Saga
veröffentlicht: 2015-07-10T00:00:00+00:00


11

Ich hielt den Atem an und starrte auf den Boden. Der Flickenteppich vor mir war in Blautönen gehalten. Auf ihm stand der Mann mit der Uniformmütze. Ich erriet, daß er eine Art Polizist sein mußte. Er hatte große, ehrfurchtheischende Stiefel an, mit runden Stiefelkappen.

Die Stiefel bewegten sich — der Abstand zwischen ihnen wurde größer und größer, sie schienen zu wachsen ...

Ich fühlte mich sehr barfüßig.

Der Mann räusperte sich.

'Man hat mir gesagt, daß zwei auswärtige Männer hierher unterwegs seien', sagte er. 'Und wie die Zeiten jetzt mal sind, muß man Landstreicher und loses Gesindel im Auge behalten. Das ist ja schließlich eine meiner Pflichten ...'

Er räusperte sich wieder. Es war ihm anzumerken, daß die Stille ihm peinlich war.

'Genauso ist es', ließ sich die Stimme des anderen Mannes von der Tür her vernehmen.

'Gesindel?' sagte der Pastor.

Seine Stimme hatte einen Klang, den ich nicht wiedererkannte. Er stand auf.

Ich überlegte, was ich für Fluchtmöglichkeiten haben würde, wenn man mich nach Stockholm zurückführte. Vielleicht konnte ich vom Zug abspringen ...

Und dann sah ich den blassen, mageren Jungen vor mir, den sie vor einem halben Jahr im Regiment geprügelt hatten. Er war durchgebrannt, war aber auf Liljeholmens Bahnhof gefaßt worden, und wir anderen Jungen hatten den Befehl erhalten, an seiner Bestrafung teilzunehmen.

Sie prügelten ihn, bis er wie ein verletztes Tier brüllte, und als er davongeschleppt wurde, war er ganz weiß im Gesicht und blank vor Rotz und Tränen. 'Ich werde euch umbringen, ihr Teufel', stieß er zwischen den Schluchzern hervor, und gleich war jemand mit großen Stiefeln da, der ihn trat und sich dann zu uns umdrehte und sagte:

'Laßt euch das eine Lehre sein, ihr Rotznasen. So ergeht es jedem, der seine Pflicht an König und Vaterland verrät.'

Lieber wollte ich in der Dämmerung hingerichtet werden.

Der Pastor holte einen braunen Umschlag aus der Tasche und zog ein paar Papiere heraus.

'Hier ist mein Typographenbrief und mein Zeugnis vom Gymnasium', sagte er. 'Ich kann auch noch andere Referenzen vorzeigen, wenn Sie das für notwendig halten. Und was den Jungen betrifft, so befindet er sich hier im Haus seiner leiblichen Tante.'

Die Behördenstiefel gingen vor zum Fenster. Der Mann las und grunzte und reichte dem Pastor die Papiere zurück.

'Und dieser junge Herr', fing er an. 'Der hat vielleicht auch ...'

Ich umklammerte die Kante der Bank. Die Stiefel waren dunkel und naß und hatten dicke Sohlen.

'Hat Er nicht gehört, daß dies mein Neffe ist!'

Tante Karins Stimme klang sehr ruhig und sehr bestimmt. Der Mann räusperte sich etwas unsicher.

'Wir führen ja nur unseren Befehl aus', sagte er schließlich. 'Also, vielen Dank und auf Wiedersehen.'

Die Tür schloß sich hinter den Männern. Der Pastor setzte sich neben mich.

'Es ist noch mehr Kaffee da', sagte Tante Karin und ging zum Herd.

Dann ging sie wieder zur Tür und rief nach Kristina. Aber die einzige Antwort, die sie erhielt, war das Prasseln des Regens auf den Blättern.



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