Codex Regius by Arnaldur Indriðason

Codex Regius by Arnaldur Indriðason

Autor:Arnaldur Indriðason [Indriðason, Arnaldur]
Die sprache: deu
Format: epub, mobi
ISBN: 9783404164677
Google: QiAaPAAACAAJ
Amazon: 3404164679
Herausgeber: Lübbe
veröffentlicht: 2006-01-01T23:00:00+00:00


Sechzehn

Berlin zehn Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges bot keinen sehr erfreulichen Anblick. Auch wenn der Aufbau in diesen wenigen Jahren große Fortschritte gemacht hatte, waren die Folgen des Kriegs noch sehr deutlich zu sehen, genau wie in anderen deutschen Städten, die den Bombenangriffen der Alliierten ausgesetzt gewesen waren. Auf der Fahrt von Amsterdam hatten wir einige davon passiert. Halb und ganz zerstörte Häuser und Gebäude glitten an uns vorbei, aber wir sahen auch Kräne, die vom Wiederaufbau zeugten, vielleicht von einer neuen und besseren Welt. Wir brauchten den ganzen Tag dazu, um Deutschland von West nach Ost zu durchqueren, und kamen erst am Abend in Berlin an.

Wieder übernahm der Professor die Führung, und vom Bahnhof Zoo aus gingen wir zu einer Pension, in der er immer übernachtete, wenn er in Berlin war. Die Straßen waren spärlich beleuchtet, und mir kam die Stadt auf den ersten Blick öde und düster vor. Vielleicht hing es aber auch damit zusammen, dass sie für mich mit der Erinnerung an den Wahnsinn verbunden war, der zum Zweiten Weltkrieg geführt hatte, denn hier schlug damals das Herz der Teufelei, die die Weltgeschichte veränderte und Millionen und Abermillionen Menschen das Leben kostete.

Die Besitzerin der Pension hieß Elsa Bauer. Sie begrüßte den Professor sehr herzlich. Die beiden waren etwa in gleichem Alter; sie schienen sich schon lange zu kennen und gut befreundet zu sein. Sie unterhielten sich auf Deutsch miteinander, und ich mit meinen begrenzten Deutschkenntnissen hatte meine liebe Mühe, ihnen zu folgen. Ich verstand aber so viel, dass sie über Charlottenburg redeten und auch über Antiquariate dort. Wie gewöhnlich verschwendete der Professor keine Zeit auf Nebensächlichkeiten, sondern kam gleich zur Sache. Frau Bauer erklärte, sich in Charlottenburg nicht sonderlich gut auszukennen, sie konnte dem Professor nicht behilflich sein, als er versuchte, sich an Adressen von Antiquariaten zu erinnern.

»Nach dem Krieg hat sich eine Menge verändert«, sagte sie. »Durch die Angriffe der Alliierten ist so vieles zerstört worden. Ich fürchte, dass da kein Stein mehr auf dem anderen steht.«

Sogar ich spürte den Schmerz in ihrer Stimme. Der Professor sah sie lange an, ohne etwas zu sagen. Frau Bauer war klein und zierlich und hatte das Haar im Nacken zu einem Knoten hochgesteckt. Auch wenn der Krieg und die Not sie gezeichnet hatten, sah man ihr an, dass sie einmal eine schöne Frau gewesen war.

»Aber natürlich«, fuhr sie auf einmal mit unterdrücktem Zorn in der Stimme fort, ohne dass ich wusste, wogegen sich ihre Entrüstung richtete, »natürlich können wir das uns selbst zuschreiben. Als ob ich das nicht wüsste! Bist du immer noch hinter deinem Nazi her?«, sagte sie.

»Ja, indirekt«, sagte der Professor.

»Und dieser junge Mann macht da auch mit?«, fragte sie und blickte mich an.

»Ja, er hilft mir. Er ist mein Schüler.«

»Und ist er zu etwas zu gebrauchen?«

»Ganz dumm ist er nicht«, antwortete der Professor. »Wie geht es mit dem Aufbau?«

»Hier besser als im Osten«, erklärte Frau Bauer. »Warum trägst du keinen Schal? Es ist kalt draußen.«

»So kalt ist es auch wieder nicht«, sagte der Professor.

Frau Bauer



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