Club Kalaschnikow by Polina Daschkowa

Club Kalaschnikow by Polina Daschkowa

Autor:Polina Daschkowa
Die sprache: deu
Format: mobi, epub
ISBN: 9783746623795
Herausgeber: Aufbau
veröffentlicht: 1998-01-02T00:00:00+00:00


Kapitel 16

Es waren bereits fünf Jahre vergangen, seit Sweta zum ersten Mal in seinem Büro erschienen war. Barinow hatte sich an seine einfühlsame Masseurin gewöhnt. Mit ihr war es unkompliziert und ruhig. Sie war jederzeit verfügbar, entweder allein oder mit einer ihrer Freundinnen – wie Seine Hoheit es wünschten. Er war nicht knausrig, und sie war zufrieden. Die Freundinnen vermutlich auch.

Sweta suchte immer die richtigen Mädchen aus, solche, die nicht viel schwatzten. Nie lud sie dasselbe Mädchen öfter als dreimal ein. Sie wußte, daß Abwechslung für ihn das Wichtigste war. Nie stellte sie irgendwelche Ansprüche, kein einziges Mal hatte es in diesen fünf Jahren mit ihr Probleme gegeben.

Als Sweta an einem regnerischen Oktoberabend ohne vorherigen Anruf und ohne Einladung in seiner Wohnung erschien, war er daher höchst erstaunt. So etwas kam zum ersten Mal vor. Aber noch größer wurde sein Erstaunen, als er bemerkte, daß sie nicht geschminkt war und ganz erdig-grau und zerrupft aussah. Sie fragte nicht einmal, ob seine Frau und sein Sohn zu Hause seien. Zum Glück waren sie es nicht.

»Jegor!« stöhnte sie schon auf der Türschwelle. »Liebster Jegor!« Und dann heulte sie los, so laut wie ein Waschweib.

Er bekam Angst, die Nachbarn könnten sie hören, zog sie schnell in die Wohnung und schloß die Tür. Dann führte er sie in die Küche, drückte sie auf einen Stuhl und flößte ihr fast gewaltsam ein Glas Wasser ein. Als sie sich etwas beruhigt hatte, fragte er finster: »Was ist denn los?«

»Ich war beim Arzt.« Ihre Lippen begannen wieder zu zittern, sie konnte nur mit Mühe sprechen.

Na Mahlzeit, dachte er verärgert, gleich erklärt sie, daß sie schwanger ist und es für eine Abtreibung zu spät ist. Womöglich verlangt sie noch, daß ich sie heirate, und fängt an, mich zu erpressen.

Sweta steckte sich inzwischen eine Zigarette an, die Hände zitterten ihr derart, daß er Angst bekam, sie könnte die brennende Zigarette auf das teure französische Linoleum fallen lassen.

»Jegor, ich habe Krebs«, sagte sie heiser flüsternd.

»Du hast – was?« fragte er zurück, obwohl er sie ausgezeichnet verstanden hatte.

Sie legte die Zigarette auf den Tischrand und begann mit zitternden Händen ihre Bluse aufzuknöpfen. Barinow ergriff die Zigarette, drückte sie im Aschenbecher aus und warf sie in den Mülleimer.

»Hier«, sagte sie und hielt ihm ihre schwere weiße Brust entgegen, »man kann den Knoten schon sehen. Er ist so groß, daß er bald Metastasen haben wird.«

»Nimm das sofort weg!« schrie er. »Wozu zeigst du mir das? Ich bin kein Arzt! Mach auf der Stelle wieder die Bluse zu!«

Er wandte sich ab, das Gesicht vor Ekel verzerrt. Es würgte ihn sogar etwas. Dabei hatte er gar nichts erkennen können, es war wohl auch nicht so deutlich sichtbar. Der Knoten war schließlich unter der Haut. Und noch vor zwei Wochen hatte er diese Brust …

Barinow wußte sehr gut, daß Krebs nicht ansteckend war, aber er wich vor dieser dicken fremden Frau, die leise schluchzend in seiner schönen sauberen Küche saß und ihr hoffnungslos krankes Fleisch vor ihm entblößte, mehrere Schritte zurück.

Sweta schloß gehorsam ihre Bluse und nahm eine weitere Zigarette aus der Schachtel.



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