Blutklingen by Joe Abercrombie

Blutklingen by Joe Abercrombie

Autor:Joe Abercrombie
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
ISBN: 9783641103965
Herausgeber: Heyne Verlag (Verlagsgruppe Random House GmbH, München)
veröffentlicht: 2013-04-08T22:00:00+00:00


BLUT WIRD FLIESSEN

Es war kurz bevor der Morgen klar und kalt heraufzog. Der Schlamm war mit einer gefrorenen Kruste überzogen. Die Lampen in den Fenstern waren fast alle gelöscht, die Fackeln unter den Schildern ausgegangen, und der Himmel stand voller heller Sterne. Hunderte um Hunderte, strahlend wie Juwelen, in Wirbeln und Schweifen und funkelnden Bildern. Tempel öffnete den Mund, die Kälte prickelte auf seinen Wangen, und er drehte und drehte sich, bis ihm schwindlig war, sog dabei die Schönheit des Himmels ein. Seltsam, dass sie ihm noch nie zuvor aufgefallen war. Vielleicht hatte er einfach immer viel zu sehr nach unten geblickt.

»Glauben Sie, dass Sie da oben eine Antwort finden?«, fragte Bermi, dessen Atem und der seines Pferdes dampfend in der Morgenkühle hingen.

»Ich weiß nicht, wo die Antwort liegt«, sagte Tempel.

»Sind Sie so weit?«

Er wandte sich um und sah noch einmal zu dem Haus hinüber. Die großen Stützpfähle waren alle an Ort und Stelle, auch der Großteil der Dachbalken, die Fenster- und die Türrahmen. Das Gerüst des Gebäudes hob sich kühn und schwarz vor dem sternenübersäten Himmel ab. Erst gestern Morgen hatte Majud ihm gesagt, was er für gute Arbeit leistete und selbst Curnsbick davon ausgehen würde, dass sein Lohn gut angelegtes Geld sei. Er fühlte Stolz in sich aufsteigen und fragte sich, wann ihm das zum letzten Mal so gegangen war. Aber Tempel war ein Mensch, der alles halb fertig liegen ließ. Das war schon seit Langem bekannt.

»Sie können auf dem Packpferd reiten. In die Berge sind es nur ein oder zwei Tage.«

»Wieso nicht?« Nach ein paar Hundert Meilen auf dem Rücken eines Maultiers war sein Hintern so gut wie aus Holz geschnitzt.

Drüben beim Amphitheater begannen die Zimmerleute bereits planlos mit der Arbeit. Sie stellten eine neue Tribüne an der bisher noch offenen Seite auf, um dort noch ein paar Dutzend Zuschauer auf einige Bänke quetschen zu können. Die Stützen und Verstrebungen zeichneten sich gerade eben vor dem dunklen Berghang ab, schief und krumm und schlecht verzapft, und bei einigen Brettern waren noch nicht einmal die Äste richtig abgehobelt worden.

»Nur noch ein paar Wochen bis zum großen Kampf.«

»Schade, dass wir den verpassen werden«, sagte Bermi. »Aber jetzt sputen wir uns besser, die anderen Jungs werden schon ein gutes Stück voraus sein.«

Tempel schob seine neue Schaufel durch einen der Gurte auf dem Rücken seines Packpferds, bewegte sich langsam, noch langsamer und hielt dann inne. Es war ein oder zwei Tage her, dass er Scheu gesehen hatte, aber er hatte sich selbst auch während ihrer Abwesenheit immer wieder an seine Schuld erinnert. Jetzt fragte er sich, ob sie irgendwo dort draußen war, immer noch verbissen auf der Suche nach den Kindern. Man konnte jemanden nur bewundern, der so an einer Sache festhielt, egal, um welchen Preis und wie die Chancen standen. Vor allem, wenn man selbst jemand war, der nie an etwas festhielt. Nicht einmal, wenn er es selbst wollte.

Tempel dachte kurz darüber nach, bewegungslos bis zu den Knöcheln im halb gefrorenen Schlamm. Dann ging er zu Bermi hinüber und legte dem Styrer die Hand auf die Schulter.



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