Blackbird: Roman (German Edition) by Brandt Matthias

Blackbird: Roman (German Edition) by Brandt Matthias

Autor:Brandt, Matthias [Brandt, Matthias]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Kiepenheuer & Witsch eBook
veröffentlicht: 2019-08-21T16:00:00+00:00


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Zwölf

– Mitte Februar –

»Gib mir mal die Butter«, sagte Bogi, und in diesem Augenblick schauten wir alle von unseren Tellern auf, als ob er gerade die Weltformel entdeckt hätte, oder was weiß ich. Und als sich unsere Blicke trafen, die zwischen mir, Anette, seinen Eltern und seinem Opa hin und her flogen, wurde uns klar, dass möglicherweise keiner von uns daran geglaubt hatte, dass wir je wieder so zusammensitzen würden. Bogis Mutter sprang auf und sagte mit zittriger Stimme, sie müsse noch Käse holen, aber das war Quatsch, weil ja schon Tonnen davon auf dem Tisch standen. Ich glaube, sogar Bogi merkte, dass das nicht der Grund war, aber er hatte bestimmt keine Lust, darüber nachzudenken.

Seit vier Tagen war er wieder zu Hause. Ich hatte es erst gar nicht glauben können, als seine Mutter anrief. Eigentlich wollte ich davon nichts hören, bevor er tatsächlich wieder da war, weil es in den letzten Monaten dauernd geheißen hatte, jetzt würde es besser werden mit ihm. Aber dann war irgendeine neue Scheiße passiert, und er musste doch im Sankt Joseph bleiben. Deswegen dachte ich auch jetzt, es würde wieder was dazwischenkommen.

Als ich aus der Schule gekommen war, hatte ein Zettel auf dem Küchentisch gelegen. »Bei Bogi anrufen!!!« hatte da gestanden, und ich war zum Telefon gegangen, ohne zu wissen, ob mich eine gute oder eine schreckliche Nachricht erwartete. Ich hatte die Nummer gewählt – 46-21-41 –, und der Penner war gleich selbst rangegangen und hatte gefragt, wo ich denn bleiben würde, ich solle gefälligst sofort rüberkommen. Rüberkommen hatte er gesagt, weil er es noch so gewohnt war. In der Zeit, in der er in der Klinik gewesen war, waren wir ja umgezogen, und mittlerweile wohnte ich mit meiner Mutter in der Neuen Stadt.

Ich war gleich losgerannt in Richtung Bus, und als ich schon draußen auf der Straße gewesen war, hatte ich erst gemerkt, dass ich immer noch meine Schultasche über der Schulter hängen hatte. Ich war zurückgelaufen, hatte die Haustür wieder aufgeschlossen und sie zurück ins Treppenhaus geschleudert, wo sie vor unserer Wohnungstür liegen blieb.

Eine halbe Stunde später hatte ich bei Schnellstiegs geklingelt, und es hatte eine ganze Weile gedauert, bis durch die geriffelte Scheibe ein Schemen zu sehen war, der sich in Richtung Haustür bewegte. Als Bogi öffnete, hatte ich gedacht, wir würden uns als Erstes in die Arme fallen. Aber er hatte mich nur müde angeschaut, sich wortlos umgedreht und war wieder in Richtung Diele geschlurft. Dabei hatte er mir noch ganz leise ein »Tach« hingeknurrt. Vielleicht hatte ich mich ja zu früh gefreut, so, wie der hier rumschlich, aber dann hatte Bogi plötzlich einen tierischen Lachanfall bekommen und war zusammengebrochen, weil ich auf die Nummer reingefallen war. Er griente mich an, wie ich es schon ewig nicht mehr gesehen hatte. Ich fragte mich, ob seine Zähne länger geworden waren. Als wir uns umarmten, drückte er so fest zu, dass ich mich wunderte, wo er die Kraft hernahm. Den ganzen Nachmittag über waren wir so albern gewesen, dass Frau Schnellstieg mich irgendwann wieder nach Hause geschickt hatte.



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