Bis alle Schuld beglichen by Alexander Hartung

Bis alle Schuld beglichen by Alexander Hartung

Autor:Alexander Hartung [Hartung, Alexander]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: neobooks
veröffentlicht: 2013-07-28T22:00:00+00:00


Jan hatte nach dem Traum nicht mehr schlafen können. Erst nachdem Chandu ihm einen Kaffee gebracht hatte, waren die Bilder aus seinem Kopf geflohen. Sein Kopf schmerzte und ihm war schwindelig. Es hatte eine Stunde gedauert, bis der Couchtisch gereinigt und Jan einigermaßen gerade gehen konnte.

Auf dem Weg zum Auto sprachen sie wenig, und die Fahrt verlief in gemeinsamem Schweigen. Nach der Anzahl der Aspirin zu schließen, die Chandu mit seinem Kaffee genommen hatte, hatte auch er keine erholsame Nacht gehabt. Nach einer Stunde hatten sie das Neubaugebiet hinter einem kleinen Wäldchen gefunden. Es lag mitten im Brachland. Eine verschmutzte Straße führte zur Baustelle. Container standen am Straßenrand und leerer Verpackungsmüll sammelte sich in einer Mulde. Die meisten Häuser waren im Rohbau. Manche hatten schon Fenster, aber der Außenputz fehlte überall. Außer einem Kran und einem Bagger gab es keine Fahrzeuge. Nirgends brannte Licht oder stieg Rauch in den Himmel. Es war noch niemand eingezogen.

»Wer gibt für eine solche Hütte Geld aus?«, fragte Chandu.

»Es gibt schlimmere Orte.«

»Guantánamo?«

Jan lachte, bereute es aber sofort. Sein Kopf bestrafte jede ruckartige Bewegung.

Chandu zeigte auf das letzte Haus. »Da drüben sind ein paar Leute.« Er fuhr den Toyota an den Straßenrand und sie stiegen aus. Der sandige Boden war matschig. Kleine Zementpfützen mischten sich mit Bauabfällen zu einer undefinierbaren Masse. Jan suchte eine Stelle, die seine Schuhe nicht ruinieren würde.

Chandu zog eine dunkle Sonnenbrille auf und ließ Jan vorgehen. Mit seinem kurz geschorenen Haar und seinem breiten Kreuz wirkte er wie der perfekte Leibwächter eines Bond-Bösewichts.

Vier Arbeiter lehnten gelangweilt an einem alten Lieferwagen und rauchten. Nach der Anzahl der Kippen auf dem Boden, machten sie das schon eine Weile.

»Morgen, Leute«, sagte Jan. Keiner der Männer reagierte auf ihn.

»Gehört ihr zu Michael Josseck?«

»Schon möglich«, antwortete einer von ihnen unfreundlich. Er hatte eine hagere Statur und langes, blondes Haar. Auf seinem Unterarm prangte ein undefinierbares Tattoo. Wahrscheinlich ein Löwenkopf.

»Keine Sorge. Wir sind nicht vom Zoll. Wir haben bloß einen kleinen … Auftrag.«

Das Interesse der Männer war geweckt. »Um was geht’s?«

»Nichts Großes«, begann Jan. »‘ne Altbaurenovierung in Charlottenburg. Zwanzig die Stunde.«

»Und wie kommst du auf uns?«, fragte der Hagere. Er war nicht überzeugt.

»‘n Kumpel hat mit Manuel Floer was gemacht und war zufrieden.«

»Manuel is‘ nich‘ hier.«

»Wo find‘ ich ihn?«

»Warum eigentlich Manuel? Der is‘ nich‘ mal Meister.«

»Ich arbeite nur über Empfehlungen. Wenn er euch für die Arbeit mitnimmt, soll‘s mir recht sein.«

Der Hagere musterte Jan abschätzend.

»Na gut.« Er warf seine Kippe auf den Boden. »Dann mach mal die Lauscher auf.« Mit kurzen Worten beschrieb er den Weg zu einer Industriehalle.

»In Marzahn?«, fragte Jan.

Der Hagere nickte. Jan seufzte. Von hier aus wären sie eine Ewigkeit unterwegs.

»Habt ihr keine Nummer für uns?«

»Ich nicht. Ihr müsst schon persönlich hin.« Dann holte er ein kleines Päckchen aus der Tasche und steckte sich eine weitere Zigarette an. »Bis Feierabend ist Manuel dort.«

Man brauchte kein Psychologe zu sein, um die Lüge des Mannes zu bemerken, aber mehr würde Jan nicht herausbekommen. Es war immerhin eine Adresse.

»Wir sehen uns.« Er hob die Hand und ging zurück zum Auto.



Download



Haftungsausschluss:
Diese Site speichert keine Dateien auf ihrem Server. Wir indizieren und verlinken nur                                                  Inhalte von anderen Websites zur Verfügung gestellt. Wenden Sie sich an die Inhaltsanbieter, um etwaige urheberrechtlich geschützte Inhalte zu entfernen, und senden Sie uns eine E-Mail. Wir werden die entsprechenden Links oder Inhalte umgehend entfernen.