Banana Pancake Trail-Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt by Philipp Mattheis

Banana Pancake Trail-Unterwegs auf dem vollsten Trampelpfad der Welt by Philipp Mattheis

Autor:Philipp Mattheis [Mattheis, Philipp]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi
veröffentlicht: 0101-01-01T00:00:00+00:00


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Auf die Länge kommt es an

Ort: Zug, Indien

«Spent time in

1. Busses: 77 hours

2. Trains: 47 hours

3. Airports: 39 hours

4. Planes: 27 hours»

Laudi [15]

«Koffikoffikoffi», sagt der Inder und wuchtet einen Eimer voll Kaffee durch das auf 20 Grad heruntergekühlte Zugabteil.

Eine halbe Stunde lang sind nun Wellblechhütten und Müllberge an dem trüben, lange nicht mehr geputzten Fenster vorbeigezogen. Ab und zu sah man Kinder und Frauen in den Müllbergen nach etwas suchen. Dann verließ der Zug die Ausläufer der Stadt. Ich schlief für ein paar Stunden ein.

Das Bild draußen hat sich verändert: Statt Müll rauschen jetzt dampfende Reisfelder an uns vorbei. Die Zugfahrt von Mumbai nach Goa dauert 14 Stunden – so lange würde man für die Strecke von Frankfurt am Main nach Rom brauchen, wenn man denn so verrückt wäre, mit dem Zug zu fahren.

Jan hat wirre, blonde Locken und trägt eine orangefarbene Leinenhose und ein ärmelloses T-Shirt. Seine Augen strahlen, der Schweißfilm auf seinem Gesicht schimmert in der Morgensonne. Wir haben zwölf ruckelige, laute, schlecht riechende Stunden hinter uns. Der Geschmack in meinem Mund ist von Zigaretten, Chai und Kaugummi als Zahnputzersatz ganz schal. Jan spricht nicht viel. Die meiste Zeit blickt er zufrieden, geradezu entrückt, an die Decke des Abteils, lässt sich vom Zug durchrütteln und schweigt. Irgendwann sagt er: «48 Stunden, 48 Stunden!», und schüttelt lächelnd den Kopf, als könnte er selbst gar nicht fassen, was er da fertiggebracht hat. Er sagt das, als hätte er gerade den ersten Marathon seines Lebens gelaufen.

Echte Backpacker fliegen nicht. Sie legen Strecken über Land zurück. Wer fliegt, ist ein Weichei, ein reiches noch dazu. Nur Drei-Wochen-Touristen mit viel Geld und wenig Zeit leisten sich Inlandsflüge. Solche Reisende unterscheiden sich nur noch oberflächlich von den Rollkoffermenschen. Backpacker fahren. Was zählt, ist die Bewältigung der Distanz in einem möglichst unbequemen Gefährt. Ab zwölf Stunden wird die Fahrt für erzählenswert gehalten. Ab 24 Stunden wird sie zu einem abstrakten Orden, einer Auszeichnung, die – im richtigen Kreis erwähnt – zahlreiche «Oh my God»-Ausrufe seitens der Zuhörer provoziert und diese dazu einlädt, ebensolche Anekdoten zu erzählen. Dann folgen Geschichten aus dem Chicken-Bus, in dem jemand für 14 Stunden die Sitzbank mit einer Guatemaltekin und vier Hühnern teilen musste, beschallt von lateinamerikanischen Liedern, in denen verdammt oft das Wort «corazón» vorkommt. Oder von einem kambodschanischen Pick-up, auf dessen Ladefläche 20 Schweden, Engländer, Israelis und zwei Ziegen gepfercht wurden. Oder von chinesischen Zügen, in denen Bauern vom Land 16 Stunden lang auf den Boden spuckten, bis man sich Gummistiefel wünschte. Am besten aber sind Geschichten aus indischen Zügen.

Echte Backpacker wählen immer die billigste Variante, oft, weil sie tatsächlich sparen müssen. Genauso oft behaupten sie, dass sie «reisen möchten, wie die Einheimischen reisen». Ich glaube, es gibt noch einen anderen Grund: Wer länger als drei Monate sein Leben hinter sich lässt, um in anderen Ländern für sehr wenig Geld nichts zu tun, muss erst mal aus diesem Esel-Karotte-System aussteigen. Wir sind es gewohnt, uns anzustrengen, wenn wir etwas erreichen wollen. Wir müssen lernen, um die Klausur zu bestehen, arbeiten, um Geld zu sparen, freundlich sein, um ficken zu können.



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