Auschwitz by Laurence Rees

Auschwitz by Laurence Rees

Autor:Laurence Rees
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783843701891
Herausgeber: Ullstein eBooks


4. Korruption

Das Jahr 1943 brachte für Auschwitz und die »Endlösung« eine entscheidende Wende. Während sich 1941 die Vernichtungspolitik auf die besetzte Sowjetunion konzentrierte, wo man mobile Erschießungskommandos einsetzte, und 1942 auf die Lager der »Aktion Reinhard«, sollte nun, drei Jahre nach seiner Errichtung, Auschwitz ins Zentrum rücken. Die Gründe für diese Entwicklung sind vielfältig und komplex.

Anfang 1943 unternahm Himmler eine Inspektionsreise nach Treblinka und Sobibór, um sich persönlich von der Effizienz seiner Todesfabriken zu überzeugen. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte man in den Lagern der »Aktion Reinhard« bereits 1,65 Millionen Menschen ermordet (97 Prozent der insgesamt 1,7 Millionen Opfer dieser Vernichtungsaktion).1 Angesichts dieses »Erfolges« ordnete Himmler am 16. Februar die Räumung des Warschauer Ghettos an, für dessen Bestehen er nun keine Notwendigkeit mehr sah. Im April dann geschah das Unvorstellbare – zumindest aus Sicht der Nationalsozialisten: Die Juden im Warschauer Ghetto wehrten sich. Zum ersten Mal sahen sich die Nationalsozialisten dem organisierten bewaffneten Widerstand einer großen Zahl entschlossener Juden gegenüber – und das an einem so exponierten Ort wie dem Zentrum der Hauptstadt Polens.2

Die ersten Deportationen im Sommer 1942 aus dem Warschauer Ghetto, dem größten, das die Nationalsozialisten je eingerichtet hatten, waren ohne Zwischenfälle verlaufen. Etwa 300 000 Juden waren nach Treblinka deportiert worden, was die Einwohnerzahl des Ghettos auf rund 60 000 reduziert hatte. Doch seit die Ghettobewohner wußten, daß die Deutschen vorhatten, sie alle zu töten, schloß sich eine immer größere Zahl von ihnen der im Juli 1942 im Ghetto gegründeten Jüdischen Kampforganisation (Zydowska Organizacja Bojowa) an. Gemeinsam mit dem Jüdischen Militärverband (Zydowski Zwiazek Wojskowy) planten sie, sich gegen weitere Deportationsversuche zur Wehr zu setzen.

Bereits im Januar 1943, als es so aussah, als wollten die Deutschen das gesamte Ghetto räumen lassen, kam es zu ersten Widerstandsaktionen, die jedoch die Deportation einiger tausend Juden nicht verhindern konnten. Dennoch glaubte die jüdische Führung, daß ihr Einsatz die vollständige Räumung des Ghettos abgewendet hatte. Heute weiß man allerdings, daß die Nationalsozialisten ohnehin nur die Deportation von ungefähr 8000 Juden geplant hatten. Die Aufständischen fühlten sich jedoch darin bestärkt, daß sie in der Lage waren, die Pläne der Deutschen zu durchkreuzen, und rüsteten sich für den nächsten Einsatz: Sie rechneten damit, daß die Deutschen sehr bald versuchen würden, das Ghetto vollständig aufzulösen.

Ahron Karmi3, damals 21 Jahre alt, gehörte zu den jüdischen Widerstandskämpfern im Warschauer Ghetto. Er war im Vorjahr auf wundersame Weise dem Tod entronnen, als er aus dem Zug gesprungen war, der seinen Vater und ihn nach Treblinka bringen sollte. »Mein Vater sagte: ›Geh! Denn wenn ich dich rette, rette ich ein ganzes Universum.‹ Und dann sagte er noch: ›Wenn einer von euch überlebt, soll er für uns blutige Rache nehmen.‹ Dann mußten wir uns voneinander verabschieden. Und wir wußten, daß es ein Abschied für immer war.«

Karmi und die anderen Widerstandkämpfer organisierten, was immer sie an Waffen auftreiben konnten, und errichteten aus Möbeln provisorische Verteidigungsstellungen; andere Ghettobewohner hoben unterirdische Bunker aus. Doch trotz dieser fieberhaften Vorbereitungen gab sich niemand der Illusion hin, daß die Deutschen geschlagen werden könnten. »Wir rechneten nicht damit, daß wir sie besiegen würden«, sagt Karmi.



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