Arkadi Renko 08 - Tatjana by Smith Martin Cruz
Autor:Smith, Martin Cruz [Smith, Martin Cruz]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2013-09-25T04:00:00+00:00
18
Das Häuschen von Ludmilla Petrowna war vor dem Krieg vielleicht ein Kutschenhaus gewesen. Obwohl sich die Backsteine halbwegs in rostfarbenen Sand verwandelt hatten und Klebeband sich kreuz und quer über die Fensterscheiben spannte, hatte sich das Haus einen schwachen Eindruck Königsberger Stils bewahrt, umgeben von trostloser Chruschtschow-Architektur und kleinen Läden, die CDs und Billigreisen verkauften. Arkadi und Maxim öffneten das Tor zu einem Gemüsegarten, in dem Sonnenblumen über die Mauer lugten, Tomatenpflanzen an Holzstäben hochgebunden waren und Auberginen fett und träge am Boden lagen.
Als Ludmilla nicht auf die Klingel reagierte, warf Maxim Steinchen an ein Fenster. Arkadi sah drinnen kein Licht, aber das Fenster öffnete sich knarrend, und eine Frau hängte einen Käfig mit einem Kanarienvogel hinaus. Sie trug ein Kopftuch im Babuschkastil, Gartenhandschuhe und eine Rundumsonnenbrille und hänselte den Vogel, dass er sich wegen der Kälte aufplusterte.
»Dauernd maulen, dauernd auf Mitgefühl aus. Genau wie unser alter Freund Maxim. Immer im Mittelpunkt der Aufmerksamkeit.«
»Hallo, Ludmilla«, sagte Maxim.
»Und in Begleitung eines verrufenen Freundes«, fügte sie hinzu, als Arkadi sich vorstellte.
»Die Sache mit Ihrer Schwester tut mir leid.«
»Dann haben Sie ja sicher schon einen Plan, wie Sie Geld aus ihrem Tod schlagen können. Sie und Obolenski, so erpicht darauf, sie zur Märtyrerin zu machen.«
»Haben Sie Tatjana Petrownas Leiche identifiziert?«, fragte Arkadi.
»Anhand eines Fotos. Nach Moskau zu fahren, hatte keinen Sinn.«
»Ludmilla ist sehr lichtempfindlich«, warf Maxim ein. »Das erschwert das Reisen.«
»Wollten Sie die Leiche nicht identifizieren?«
»Das Foto hat genügt.«
»Haben Sie sich keine Sorgen gemacht, was mit der Leiche geschehen könnte?«
»Ehrlich gesagt mache ich mir mehr Sorgen um mich selbst.«
»Haben Sie darum gebeten, sie einzuäschern?«
Kurz zuvor hatte der Regen fast aufgehört, jetzt prasselte er wieder herunter. Arkadi hörte die Geschäftigkeit auf dem Markt hinter der Gartenmauer, als Ständer unter Markisen gezogen wurden. Jeder andere hätte Arkadi und Maxim hereingebeten.
»Die arme Juliet wird nass.« Sie streichelte den Kanarienvogel unter dem Schnabel. »Die singen nicht mehr, wissen Sie, nachdem sie ihren Gefährten verloren haben.«
»Sie können sich nicht erinnern, ob Sie darum gebeten haben, Ihre einzige Schwester einzuäschern?«
»Ich habe mein eigenes Leben.«
Ein beschauliches zwischen Gemüse und Vogel, dachte Arkadi.
»Haben Sie noch andere Tiere?«
»Also, Katzen können wir nicht haben. Das würde Juliet zu nervös machen.« Sie zog den Käfig herein.
»Hatte Tatjana nicht einen Hund?«, fragte Arkadi.
»Ja, ein hässliches kleines Ding. Wissen Sie, was meine Lieblingstiere sind? Gemüse.« Sie schloss das Fenster, nur um es eine Sekunde später wieder aufzumachen. »Klauen Sie ja nichts davon«, fügte sie hinzu und schloss das Fenster endgültig.
»Tut mir leid«, sagte Maxim. »Wie ich schon sagte, Ludmilla ist eine schwierige Frau.«
Arkadi blieb zwischen den Tomatenpflanzen stehen. Er hatte mit Ludmilla Petrownas Wut gerechnet oder zumindest mit Neugier wegen des Todes und der schlechten Behandlung ihrer Schwester.
»Sie können noch den Abendflug nach Moskau erwischen«, meinte Maxim. »Schade, dass Sie den ganzen Weg umsonst machen mussten. Was ist das?«
Arkadi winkte ihn zu sich, und die beiden standen vor einem kleinen Hundehaufen, der sich im Regen verflüssigte. Schlagzeilen schossen ihm durch den Kopf. Scheiß-brigade ausgerückt. Hundehaufen in Gemüsegarten entdeckt. Beweise im Platzregen verloren.
Das war zwar kein Nichts, kam dem aber lächerlich nahe.
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