Angerichtet by Hermann Koch

Angerichtet by Hermann Koch

Autor:Hermann Koch
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: General Fiction
Herausgeber: Kiepenheuer & Witsch
veröffentlicht: 2010-06-28T16:00:00+00:00


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So sah der Plan aus. Vielmehr hatte so der Plan ausgesehen, bevor ich mir die Sendung von Aktenzeichen XY erneut angeschaut und den weißen Sportschuh entdeckt hatte.

Der nächste Schritt war reine Eingebung gewesen. Vielleicht gab es ja irgendwo noch anderes Material, überlegte ich. Oder besser gesagt: vielleicht war das unbekannte Material absichtlich oder aus Versehen auf einer anderen Site gelandet.

Ich ging auf YouTube. Die Chance war äußerst gering, aber einen Versuch war es wert. Bei »Suchen« gab ich den Namen der Bank ein, zu der der Geldautomat gehörte, dahinter dann das Wort »Obdachlose«, »death« und »homeless«.

Ich hatte tatsächlich vierunddreißig Treffer. Ich scrollte nach unten, entlang der Bildchen. Das Startbild war überall so ziemlich dasselbe: die Köpfe von zwei lachenden Jungen mit Mützen. Nur die dazugehörenden Titel und kurzen Inhaltsangaben der jeweiligen Filme wichen voneinander ab. Dutch Boys [Name der Bank] Murder war noch einer der Harmlosesten. Don’t Try This at Home – Fire Bomb Kills Homeless Woman lautete ein anderer. Jeder einzelne Film war wahnsinnig beliebt – mehrere Tausend hatten sich die Videos angesehen.

Ich klickte willkürlich auf irgendeinen Film und sah wieder, wenn auch in einer schnelleren, montierten Version, wie der Bürostuhl geworfen wurde, die Müllsäcke und der Kanister. Ich sah mir noch ein paar an. Bei einer Montage mit dem Titel [Name der Stadt] Hottest New Tourist Attraction: Put Your Money on Fire! hatte jemand den Film mit einem Lachband untermalt. Nach jedem neuen Gegenstand, der auf die obdachlose Frau geworfen wurde, folgte eine Lachsalve. Das Lachen wurde schließlich geradezu hysterisch, als der Lichtblitz aus dem Kanister gezeigt wurde, und endete dann mit dröhnendem Applaus.

Die meisten Videos zeigten die Sequenz mit dem weißen Sportschuh nicht, sie hörten gleich nach dem Lichtblitz und den wegrennenden Jungs auf.

Im Nachhinein kann ich auch nicht mehr sagen, weshalb ich mir auch noch das nächste Video anschaute. Er schien sich nicht von den anderen zu unterscheiden. Auch das Startbild war das Gleiche: zwei lachende Jungen mit Mütze, nur hielten sie hier bereits den Bürostuhl hoch.

Vielleicht lag es an dem Titel, der Men in Black III lautete. Schon mal kein spaßiger Titel, so wie bei den anderen. Sondern der erste, und wie mir später auffiel, auch der einzige Titel, der sich nicht auf das Gezeigte bezog, sondern indirekt auf die Täter.

Men in Black III begann mit dem Bürostuhl, der geworfen wurde, darauf folgten die Müllsäcke, die Lampe und der Kanister. Aber es gab einen wesentlichen Unterschied. Immer dann, wenn beide oder einer der beiden Jungen einigermaßen scharf im Bild erschienen, wurden die Bilder langsamer. Und jedes Mal, wenn das passierte, hörte man Unheil verkündende Musik, eher eine Art Summton, ein tiefes, gurgelndes Geräusch, das man vor allem mit Unterwasser- und Schiffsunglücksfilmen verband. Das Ergebnis dieser Bearbeitung war, dass sich die ganze Aufmerksamkeit auf Michel und Rick richtete, und damit weniger auf das Werfen der beim Baum gefundenen Sachen.

Wer sind diese Jungen?, schienen die verlangsamten Bilder in Kombination mit der Unheil verkündenden Musik zu fragen. Was sie da tun, wissen wir allmählich. Aber wer sind sie?

Der Hammer kam ganz am Schluss.



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