Anansi Boys by Gaiman Neil

Anansi Boys by Gaiman Neil

Autor:Gaiman, Neil [Neil, Gaiman]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: WILHELM HEYNE VERLAG
veröffentlicht: 2013-04-23T16:00:00+00:00


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MAEVE LIVINGSTONE fuhr ganz allein im Fahrstuhl in den fünften Stock und hatte während der langsamen, ruckeligen Fahrt genügend Zeit, um in Gedanken noch einmal durchzugehen, was sie, sobald sie oben angelangt war, zu Grahame Coats sagen würde.

Sie hatte eine schmale braune Aktenmappe bei sich, die Morris gehört hatte: ein ausgesprochen männlicher, ja maskuliner Gegenstand. Sie trug eine weiße Bluse, einen blauen Jeansrock und darüber einen grauen Mantel. Sie hatte sehr lange Beine und eine außergewöhnlich blasse Haut, und ihre Haare waren, mit nur geringfügiger chemischer Unterstützung, noch genauso blond wie vor zwanzig Jahren, als Morris Livingstone sie geheiratet hatte.

Maeve hatte Morris sehr geliebt. Als er starb, löschte sie ihn nicht aus ihrem Handyverzeichnis, nicht einmal, nachdem sie seinen Vertrag gekündigt und sein Telefon zurückgegeben hatte. Ihr Neffe hatte das Foto von Morris aufgenommen, das auf ihrem Handy gespeichert war, und das wollte sie nicht verlieren. Wie gern hätte sie Morris jetzt angerufen und ihn um Rat gefragt.

Sie hatte der Freisprechanlage mitgeteilt, wer sie war, um unten eingelassen zu werden, daher wartete Grahame Coats bereits auf sie, als sie den Empfang betrat.

»Wie geht’s, wie steht’s, meine Teuerste«, sagte er.

»Ich muss Sie unter vier Augen sprechen, Grahame«, sagte Maeve. »Sofort.«

Grahame Coats grinste sich eins; seltsamerweise begannen viele seiner geheimen Fantasien damit, dass Maeve ganz ähnliche Worte sprach, bevor sie dann zu Äußerungen überging wie »Ich brauche dich, Grahame, jetzt gleich« und »O Grahame, ich war ein unartiges, ein ganz böses Mädchen, dem ordentlich Disziplin eingebläut werden muss«, und, das aber eher selten: »Grahame, du bist zu viel für eine einzelne Frau, darf ich dir daher meine eineiige nackte Zwillingsschwester Maeve II vorstellen.« Sie gingen in sein Büro.

Zu Grahame Coats’ leiser Enttäuschung ließ Maeve in keiner Weise durchblicken, dass sie es hier und jetzt brauche. Sie zog nicht einmal den Mantel aus. Stattdessen öffnete sie ihre Aktenmappe und zog einen Stapel Papiere hervor, den sie auf den Schreibtisch platzierte.

»Grahame, auf Vorschlag des Filialleiters meiner Bank habe ich Ihre Abrechnungen und Auszüge der letzten zehn Jahre einer unabhängigen Rechnungsprüfung unterziehen lassen. Seit der Zeit, als Morris noch lebte. Sie können die Unterlagen gern einsehen. Ihre Zahlen stimmen nicht. Von vorn bis hinten nicht. Ich dachte, ich spreche mit Ihnen darüber, bevor ich die Polizei einschalte. Ich hatte das Gefühl, Ihnen das, Morris zu Ehren, schuldig zu sein.«

»In der Tat«, stimmte Grahame Coats zu, glatt wie eine Schlange im Butterfass. »Das sind Sie wirklich.«

»Nun also?« Maeve Livingstone hob eine makellose Augenbraue. Ihr Gesichtsausdruck verhieß nichts übermäßig Gutes. Grahame Coats fand die Maeve aus seinen Fantasien entschieden vorteilhafter.

»Leider haben wir einen schurkischen Angestellten in der Grahame-Coats-Agentur gehabt, Maeve, eine ganze Weile schon. Ich habe selbst schon die Polizei gerufen, letzte Woche, gleich als ich bemerkt hatte, dass etwas im Argen liegt. Der lange Arm des Gesetzes ermittelt bereits. Mit Rücksicht auf den Prominentenstatus mehrerer Kunden der Grahame-Coats-Agentur – Sie eingeschlossen – behandelt die Polizei die Sache so diskret wie möglich, und wer wollte es ihr verübeln?« Sie schien nicht annähernd so beschwichtigt, wie er sich erhofft hatte.



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