Akte Verdun by Heiger Ostertag

Akte Verdun by Heiger Ostertag

Autor:Heiger Ostertag
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Gmeiner-Verlag
veröffentlicht: 2016-05-20T00:00:00+00:00


5. Berliner Nächte sind lang

Zwischen Argonnen und Maas fanden an einzelnen Stellen lebhafte Handgranatenkämpfe statt. Versuche des Feindes, in den Wäldern von Avocourt und Malancourt Boden zu gewinnen, wurden vereitelt. Ein feindlicher Nachtangriff südwestlich des »Toten Mannes« erstarb in unserem Infanteriefeuer.

Deutscher Heeresbericht vom 13. Mai 1916

Der Weg zog sich hin, er kam an der Germania Bäcker-Innung vorbei, an der Zigarettenfabrik Karelli und am Hotel Pommerscher Hof. Der Fußmarsch und die für Mai kühle Nacht ließen Wedigo etwas nüchterner und allmählich auch müde werden. Schließlich gelangte er zu einem Haus mit einer roten Sandsteinfassade. Dort war trotz der späten beziehungsweise frühen Stunde Licht, und fröhlicher Lärm klang aus dem Innenhof des langgestreckten Baus. Eben hielt eine Droschke an, aus der mehrere Personen stiegen, die zum Eingang des hinteren Hauses eilten. Rasch trat Wedigo näher, um die unerwartete Transportchance zu nutzen. Er wollte gerade den Kutscher ansprechen, da fühlte er an seiner Schulter eine sanfte Berührung und drehte sich überrascht um. Vor ihm stand ein Fräulein, welches, soweit er es im unsicheren Hoflicht sehen konnte, sehr hübsch war. Ihr dunkles Haar trug sie offen, und ihre Locken fielen weit bis zu den Hüften herab. Sie trug einen langen, tiefblauen Mantel und auf dem Kopf ein mit Federn geschmücktes Hütchen. Die Hände steckten in weißen Lederhandschuhen und die Schuhe schienen aus einem ähnlichen Material gefertigt. Kurz, ihre Kleidung wirkte auf ihn gediegen, aber auch ziemlich extravagant.

»Mein Herr«, sprach ihn das Fräulein an, »Sie schickt mir, weiß Gott, der Himmel. Heute findet hier ein kleines Filmfest statt und ich habe keinen Tänzer. Seien Sie ein Kavalier und begleiten Sie mich!«

»Ein Filmfest?«, wiederholte Wedigo überrascht.

»Wussten Sie das nicht? Das hier sind die Bioskop-Ateliers, in denen bereits mehrere Filme gedreht wurden.«

»Und Sie sind Schauspielerin?«

»Aber ja, und jetzt kommen Sie, hier draußen ist es kühl und Sie wollen doch nicht, dass ich mir den Tod hole!«

Während des kurzen Gesprächs war die Droschke weitergefahren, und Wedigo entschied, sich auf das kleine Abenteuer einzulassen. »Hauptmann von Wedel«, stellte er sich vor und bot dem Fräulein den Arm. »Mit wem habe ich die Ehre?«

»Ich bin Franzi Salmonova, die jüngere Schwester Lyda Salmonovas«, antwortete das Fräulein, als ob damit alles gesagt sei. Wedigo, der mit dem Namen nichts anfangen konnte, ließ es dabei bewenden und führte Fräulein Salmonova ins Haus. Drinnen herrschte die Atmosphäre eines Atelierfestes, wie sie der Hauptmann in der Kunstszene der Stadt vor Jahren mehrfach erlebt hatte. Vom Treppenhaus kam man gleich in einen großen Saal. Hier waren die Wände mit farbigen Stoffen und Filmplakaten dekoriert. Ein buntes Völkchen tanzte ausgelassen zur Musik einer Damenkapelle, überall wurde gelacht und getrunken. Sein Fräulein ließ ihren blauen Mantel unachtsam zu Boden gleiten, ergriff Wedigos Hand und zog ihn auf die Tanzfläche. Jetzt zeigte sich, dass sie nur ein leichtes, sehr knappes Kostüm anhatte, das mehr an ein Nachtgewand denn an ein Abendkleid erinnerte. Ihr Anblick war allerliebst, auch wenn Wedigo die viele nackte Haut, die Fräulein Salmonova zeigte, leicht peinlich war. Mehr noch genierte ihn, dass er Uniform trug. Doch



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