Agnes Grey - Roman by dtv

Agnes Grey - Roman by dtv

Autor:dtv
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik/Hauptwerk vor 1945
Herausgeber: dtv


Kapitel 13

Die Schlüsselblumen

Miss Murray ging jetzt immer zweimal in die Kirche, denn sie genoss es so sehr, bewundert zu werden, dass sie keine Gelegenheit dazu auslassen konnte, und wo sie sich auch zeigte, sie konnte sich sicher sein, Bewunderung zu ernten – ob Harry Meltham und Mr. Green nun da waren oder nicht –, denn neben dem Rektor, der allein schon von Amts wegen Anwesenheitspflicht hatte, gab es mit Sicherheit immer jemanden, der für ihre Reize nicht unempfänglich war.

Im Allgemeinen gingen außerdem sie und ihre Schwester, sofern das Wetter es zuließ, zu Fuß nach Hause. Matilda mochte es nicht, in der Kutsche eingesperrt zu sein, Rosalie dagegen fühlte sich dort zu sehr abgeschottet und freute sich über die Gesellschaft, die normalerweise die erste Meile des Heimwegs von der Kirche bis zu Mr. Greens Parktor auflockerte, wo der Privatweg nach Horton Lodge abzweigte, das in entgegengesetzter Richtung lag, während die Landstraße geradewegs zu dem noch weiter entfernt liegenden Herrensitz von Sir Hugh Meltham führte. So bestand immer die Möglichkeit, dass man bis dorthin Gesellschaft hatte, entweder von Harry Meltham, mit oder ohne Miss Meltham, oder von Mr. Green, mit vielleicht einer oder auch beiden Schwestern und deren eventuellem Herrenbesuch.

Ob ich mit den jungen Damen zu Fuß ging oder mit ihren Eltern fuhr, hing völlig von ihren Launen ab; wenn sie mich »dabeihaben« wollten, ging ich mit. Wollten sie aus Gründen, die sie selbst am besten kannten, alleine gehen, nahm ich im Wagen Platz. Laufen war mir lieber, aber da es mir widerstrebte, meine Gegenwart jemandem aufzudrängen, dem sie unerwünscht war, blieb ich bei diesen und anderen Gelegenheiten passiv und fragte nie nach den Gründen für ihre wechselnden Launen. Und das war auch tatsächlich das Klügste, was ich tun konnte, denn sich zu fügen und dienstbar zu sein war die Aufgabe einer Gouvernante, das eigene Vergnügen zu suchen das Anrecht der Zöglinge. Aber wenn ich zu Fuß ging, war die erste Hälfte Weges im Allgemeinen sehr ärgerlich für mich. Da keiner der zuvor erwähnten Damen und Herren Notiz von mir nahm, war es mir unangenehm, neben ihnen herzulaufen, als lauschte ich ihren Gesprächen oder als wollte ich für ihresgleichen gehalten werden, dabei sprachen sie an mir vorbei oder über meinen Kopf hinweg, und wenn ihr Blick beim Reden zufällig auf mich fiel, dann war es so, als blickten sie ins Leere – als würden sie mich nicht sehen oder wollten zumindest den Anschein erwecken.

Ebenso unangenehm war es, hinter ihnen herzugehen, sodass es schien, als erkennte ich meine Unterlegenheit an. Denn in Wahrheit hielt ich mich für nahezu ebenso gut wie den Besten von ihnen und wünschte, sie wüssten dies und bildeten sich nicht etwa ein, ich würde mich bloß für eine Bedienstete halten, die ihren Platz zu gut kenne, um neben so feinen Damen und Herren wie ihnen einherzugehen – mochten die jungen Damen, auf die sie aufpasste, sie auch gelegentlich mitnehmen und sich sogar dazu herablassen, sich mit ihr zu unterhalten, wenn keine bessere Gesellschaft zur Verfügung stand.

Und so – ich



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