Abschied vom Mythos by Hannes Bahrmann

Abschied vom Mythos by Hannes Bahrmann

Autor:Hannes Bahrmann [Bahrmann, Hannes]
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Ch. Links Verlag
veröffentlicht: 2015-12-31T23:00:00+00:00


Der Fall Elián

Mit dem Ende der legalen Überfahrt waren die Abenteuer der balseros auf ihren provisorischen Flößen keineswegs beendet. Im November 1999 schloss sich die 29-jährige Elisabeth Brotons Rodríguez mit ihrem sechsjährigen Sohn Elián einem solchen Fluchtunternehmen an. Das Floß sank, elf Menschen ertranken, darunter auch Elisabeth. Ihr Sohn, den sie zuvor an einem Autoreifenschlauch festgebunden hatte, überlebte und wurde von Fischern gerettet.

Die exilkubanische Community in Miami, die auf alle Bemühungen zur Entspannung mit Kuba allergisch reagierte, inszenierte seine Ankunft als Demonstration ihres Protestes gegen den aus ihrer Sicht verräterischen Akt der Unterbindung der Fluchtroute auf See. Sie hatte mit ansehen müssen, wie die Spannungen zwischen den USA und Kuba nachzulassen drohten. Hinter den Kulissen führten mächtige Lobbygruppen gar Gespräche um ein Ende des Embargos – angeführt von den Farmern, die sich attraktive Geschäfte mit Weizenlieferungen versprachen. Und in Umfragen zeichnete sich eine Mehrheit für ein Ende der Eiszeit ab.

Elián kam bei seinem Großonkel unter und blieb unter permanenter Beobachtung der Öffentlichkeit. David Copperfield gab ihm eine Privatvorstellung, es war die traurigste Geschichte in der Vorweihnachtszeit. Da meldete sich Eliáns Vater und teilte mit, der Junge sei ohne sein Wissen und seine Zustimmung in die USA gebracht worden. Die kubanischen Behörden verlangten unter Verweis auf das Sorgerecht daher seine Rückkehr, auch die US-Behörden konnten sich dieser Argumentation nicht verschließen. Elián sollte nach Kuba zurückkehren.

Die Einwanderungsbehörde hatte zwar entschieden, dass Elián zu seinem Vater zurückkehren sollte, wollte aber den Jungen nicht mit Gewalt herausholen. Zudem war Wahlzeit. Elián wurde vom Abgeordneten Dan Burton zu einer Anhörung im Kongress nach Washington eingeladen, Senator Jesse Helms, der mächtige Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Senat, wollte dem Jungen sofort die Staatsbürgerschaft verleihen.

In Kuba nahm die Kampagne zur Rückführung des Jungen ebenfalls Fahrt auf. Hier sah man im Fall Elián klar den Tatbestand einer Entführung gegeben. Er wurde der berühmteste Junge der Insel. 100 000 demonstrierten in Havanna vor der Interessenvertretung der USA für die Rückgabe. Die meisten Kubaner empörte, dass in der Zeit der Kampagne um Elián gleichzeitig Hunderten haitianischer Flüchtlinge, die auf dem Seeweg geflüchtet waren, die Aufnahme in Florida verweigert worden war.

Weil die Einwanderungsbehörde in Florida keine Anstalten machte, den Jungen nach Kuba zurückzuschicken, gelangte der Fall bis vor den Supreme Court, den obersten Gerichtshof der USA. Justizministerin Janet Reno sprach sich für die Rückführung aus, und am 22. April 2000 stürmten Einheiten der U.S. Border Control das Haus des Großonkels und brachten den Jungen nach Washington, wo sein Vater wartete. Im Juni kehrte Elián nach Kuba zurück.

Die Niederlage der Exilkubaner hätte nicht ärger ausfallen können, mussten sie doch im selben Jahr einen weiteren Schlag hinnehmen: Die US-Regierung gab dem Druck der Agrar-Lobby nach und erlaubte den Export von Nahrungsmitteln gegen Barzahlung nach Kuba. Mit einem Schlag stiegen die Vereinigten Staaten zum sechstgrößten Handelspartner Kubas auf. (Die Rache dafür folgte bei den Präsidentschaftswahlen 2000: Die Haltung der Exilkubaner in Florida war wahlentscheidend. Die Stimmenauszählung dauerte einen Monat, der Kandidat der Demokraten und bisherige Vizepräsident Al Gore verlor wegen 537 fehlender Stimmen, und George W.



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