1Q84 Roman by Haruki Murakami

1Q84 Roman by Haruki Murakami

Autor:Haruki Murakami
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 978-3-8321-8540-4
Herausgeber: DuMont Buchverlag


KAPITEL 24

Tengo

Worin liegt der Sinn einer anderen Welt?

Der Samstag begann mit Regen. Es regnete nicht sehr heftig, aber anhaltend. Seit es am Vortag um die Mittagszeit begonnen hatte, hatte es nicht ein einziges Mal aufgehört. Kaum glaubte man einmal, der Regen würde allmählich nachlassen, wurden die Schauer unversehens wieder stärker. Obwohl das Jahr schon so weit fortgeschritten war, schien die Regenzeit einfach nicht enden zu wollen. Der Himmel war dunkel und lag wie ein Deckel auf der von schwerer Feuchtigkeit durchtränkten Erde.

Als Tengo am Vormittag in Regenmantel und Mütze ein paar Einkäufe in der Nachbarschaft machen wollte, entdeckte er, dass in seinem Briefkasten ein dicker gefütterter brauner Umschlag steckte. Er hatte keinen Poststempel und war auch nicht frankiert. Seine Adresse stand auch nicht darauf, ebenso wenig wie ein Absender. Nur vorn in die Mitte hatte jemand mit kleinen, eckigen Zeichen »Tengo« geschrieben. Es sah aus wie mit einem Nagel in trockenen Ton geritzt. Zeichen, die ganz sicher von Fukaeri stammten. Als er den Umschlag aufriss, fand er darin eine geschäftsmäßig wirkende TDK-Kassette von sechzig Minuten Laufzeit. Weder ein Brief noch eine Notiz lagen bei. Es gab auch keine Hülle, und die Kassette hatte keinen Aufkleber.

Tengo zögerte, beschloss aber dann, seinen Einkauf zu verschieben, in seine Wohnung zurückzukehren und sich die Kassette anzuhören. Er hielt sie gegen das Licht und drehte sie mehrmals um. Ungeachtet ihres geheimnisvollen Aussehens war sie allem Anschein nach ein ganz gewöhnliches Massenprodukt. Sie sah auch nicht aus, als würde sie explodieren, wenn man sie abspielte.

Er zog seinen Regenmantel aus, stellte seinen Kassettenrekorder auf den Küchentisch und legte die Kassette ein. Um sich nötigenfalls Notizen machen zu können, legte er Kugelschreiber und Papier bereit. Nachdem er sich umgeschaut und vergewissert hatte, dass niemand sonst anwesend war, drückte er die Wiedergabetaste.

Am Anfang war gar nichts zu hören. Die Stille dauerte eine Weile an. Als er schon fast annahm, dass die Kassette defekt sei, ertönte plötzlich ein Rumpeln im Hintergrund. Als würde ein Stuhl über den Boden gezogen werden. Ein leises Räuspern (oder so etwas Ähnliches) ertönte. Dann begann auf einmal Fukaeri zu sprechen.

»Lieber Tengo«, sagte sie, wie um die Aufnahme zu testen. Soweit er sich erinnerte, war es das erste Mal, dass sie ihn bei seinem Namen ansprach.

Sie räusperte sich noch einmal. Vielleicht war sie aufgeregt.

Ein Brief wäre vielleicht besser, aber weil ich das nicht so kann, spreche ich auf Kassette. So fällt es mir leichter zu sprechen als am Telefon. Ich weiß nicht, ob das Telefon abgehört wird. Moment, ich trinke einen Schluck Wasser.

Es war zu hören, wie Fukaeri nach einem Glas griff, einen Schluck nahm und es (wahrscheinlich) wieder auf den Tisch stellte. Ihre besondere Art, ohne Betonung, Fragezeichen und Punkte zu sprechen, erweckte auf der Kassette einen noch ungewöhnlicheren Eindruck als im Gespräch. Man konnte ihn fast als unwirklich bezeichnen. Allerdings sprach sie auf der Kassette im Gegensatz zum direkten Gespräch mehrere Sätze hintereinander.

Ich habe gehört, Sie wissen nicht, wo ich bin. Vielleicht machen Sie sich Sorgen. Aber es ist alles in Ordnung. Wo ich jetzt bin, ist es nicht gefährlich.



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