1Q84: Buch 3 by Haruki Murakami

1Q84: Buch 3 by Haruki Murakami

Autor:Haruki Murakami [Murakami, Haruki]
Die sprache: deu
Format: azw3, mobi, epub
Herausgeber: DuMont Buchverlag GmbH
veröffentlicht: 2013-03-18T23:00:00+00:00


Um halb drei kam eine junge Frau mit Baseballmütze aus der Haustür. Sie trug nichts bei sich und durchquerte eilig Ushikawas Blickfeld. Er drückte auf den Auslöser, und die Kamera machte drei Bilder. Er sah das Mädchen zum ersten Mal. Ein schönes Mädchen mit langen schlanken Armen und Beinen. Sie hatte eine gute Haltung und sah aus wie eine Ballerina. Sie war sechzehn oder siebzehn Jahre alt, trug verwaschene Jeans, weiße Turnschuhe und eine maskulin wirkende Lederjacke. Ihre Haare verschwanden im Kragen der Jacke. Als sie das Haus verlassen hatte, blieb sie nach ein paar Schritten stehen und blickte mit zusammengekniffenen Augen an den Strommasten hinauf. Dann schaute sie wieder zu Boden und setzte sich erneut in Bewegung. Sie bog nach links ab und verschwand.

Das Mädchen sah jemandem ähnlich. Jemandem, den Ushikawa kannte. Den er vor kurzem gesehen hatte. Vielleicht jemandem aus einer Talentsuche im Fernsehen? Aber Ushikawa sah so gut wie nie fern, nur die Nachrichten. Er konnte sich nicht erinnern, jemals Interesse an hübschen weiblichen Fernsehstars gehabt zu haben.

Ushikawa brachte sein Gedächtnis auf Hochtouren. Die Augen zusammengekniffen, wrang er seine Gehirnzellen aus wie einen Wischlappen. Seine Nerven schmerzten vor Anstrengung. Und dann wusste er plötzlich, dass dieses Mädchen Eriko Fukada war. Er hatte sie noch nie leibhaftig gesehen, nur auf einem Foto im Feuilleton einer Zeitung. Dennoch stimmte die erhabene Klarheit, die diesem Mädchen zu eigen war, ganz genau mit dem Eindruck überein, den das kleine schwarzweiße Foto ihm vermittelt hatte. Eriko Fukada und Tengo hatten sich natürlich bei der Überarbeitung von Die Puppe aus Luft kennengelernt. Es war durchaus möglich, dass sie sich mit ihm angefreundet hatte und sich in seiner Wohnung versteckt hielt.

Bei diesem Gedanken stülpte sich Ushikawa fast automatisch seine Wollmütze über, zog seinen dunkelblauen Stutzer an und wickelte sich den Schal um den Hals. Er verließ das Haus und ging in die Richtung, in die das Mädchen gelaufen war.

Ihre Schritte waren so schnell gewesen, dass es vermutlich keinen Sinn hatte, ihr jetzt noch zu folgen. Aber sie hatte nichts bei sich gehabt. Ein Hinweis, dass sie nicht beabsichtigte, sich sehr weit zu entfernen. Sicher wäre es profitabler, in Ruhe auf ihre Rückkehr zu warten, statt zu versuchen, sie zu beschatten, und das Risiko einzugehen, ihre Aufmerksamkeit zu erregen. Aber Ushikawa konnte nicht anders, als ihr zu folgen. Dieses junge Mädchen hatte etwas an sich, das ihn entgegen alle Vernunft erschütterte. So wie die geheimnisvolle Färbung des Lichts im Moment des Sonnenuntergangs besondere Erinnerungen wachrufen kann.

Nach einer Weile sah er sie. Sie stand am Straßenrand und spähte eifrig ins Schaufenster eines kleinen Papiergeschäfts. Offenbar erregte etwas darin ihr Interesse. Ushikawa blieb, den Rücken zu ihr gekehrt, unauffällig vor einem Getränkeautomaten stehen. Er nahm Kleingeld aus der Hosentasche und zog sich einen Becher heißen Kaffee.

Kurz darauf setzte sie sich wieder in Bewegung. Ushikawa stellte den halb ausgetrunkenen Becher zu seinen Füßen ab und folgte ihr in angemessener Distanz. Sie konzentrierte sich ganz und gar auf die Tätigkeit des Gehens. Es wirkte, als würde sie zu Fuß einen großen See überqueren, ohne die kleinste Welle zu verursachen.



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