021 - Die Jangada 2 by Jules Verne

021 - Die Jangada 2 by Jules Verne

Autor:Jules Verne [Verne, Jules]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-06-25T04:00:00+00:00


Zwölftes Kapitel

Das Dokument

Das war freilich ein sehr mißlicher Umstand, den weder Joam Dacosta noch die Seinigen vorhersehen konnten. In der Tat – diejenigen unserer Leser, welche den Anfang dieser Erzählung nicht vergessen haben, wissen es – erwies sich das Dokument abgefaßt nach der schwierig zu enträtselnden Methode eines der zahlreichen, in der Kryptologie gebräuchlichen Systeme.

Aber nach welchem?

Das herauszufinden, erheischte allen Scharfsinn eines schon geübten Menschengehirnes.

Der Richter Jarriquez ließ, bevor er Benito und dessen Begleiter verabschiedete, eine genaue Kopie des Dokuments anfertigen, da er das Original selbst zurückbehalten wollte, und lieferte jene nach sorgfältiger Kollationierung den beiden jungen Männern aus, damit diese sie dem Verhafteten zukommen lassen könnten.

Nachdem sie versprochen, sich am folgenden Tage wieder einzufinden, zogen sie sich zurück und begaben sich, um keinen Augenblick zu zögern und voll Verlangen, Joam Dacosta wiederzusehen, sofort nach dessen Gefängnisse.

Dort teilten sie dem Verhafteten in kurzen Worten alles mit, was inzwischen vorgefallen war.

Joam Dacosta ergriff erregt das für ihn so wichtige Schriftstück und betrachtete es aufmerksam. Dann gab er es kopfschüttelnd seinem Sohne zurück.

»Vielleicht«, sagte er gefaßt, »enthalten diese Zeilen den Beweis, den ich bisher nicht beizubringen vermochte. Doch wenn es nicht der Fall wäre und ein ganzes ehrenhaftes Leben keinen Ausschlag zu meinen Gunsten gibt, so habe ich von der menschlichen Gerechtigkeit nichts mehr zu erwarten und so liegt mein Schicksal allein noch in Gottes Hand.«

Alle empfanden die Wahrheit dieser Worte. Wenn das Dokument ungelöst blieb, so gestaltete sich die Lage des Verurteilten zum Schlimmsten.

»Wir werden das Rätsel lösen, liebster Vater!« rief Benito vertrauensvoll. »Es gibt keine Geheimschrift dieser Art, zu der sich nicht der Schlüssel finden ließe. O, fasse Mut… habe Vertrauen! Der Himmel hat uns, ich möchte sagen durch ein Wunder, das Schriftstück mit dem Beweise deiner Unschuld wiederfinden lassen, und nachdem er unsere Hand so gnädig geleitet, kann es nicht sein Wille sein, unseren Geist nicht zu erleuchten, um dessen Sinn zu fassen!«

Joam Dacosta drückte Benitos und Manoels Hand; darauf entfernten sich die beiden jungen Leute, um schleunigst nach der Jangada zurückzukehren, wo Yaquita ihrer Ankunft entgegenharrte.

Joam Dacostas Gattin wurde sofort von allen Vorfällen seit dem gestrigen Tage unterrichtet, von dem Auftauchen des Leichnams Torres’, wie von der Wiederauffindung des Dokuments und der ungewöhnlichen Form, in welcher der wirkliche Urheber des Attentats dasselbe abfassen zu müssen geglaubt hatte – wahrscheinlich, um sich selbst nicht zu kompromittieren, wenn jenes zufällig in fremde Hände käme.

Natürlich erfuhr auch Lina von jener unerwarteten Erschwerung und von Fragosos Entdeckung, daß Torres ein früherer Waldkapitän und Mitglied jener etwas zweifelhaften Miliz gewesen sei, die an den Mündungen des Madeira ihr Wesen trieb.

»Wie bist du aber mit ihm zusammengetroffen?« fragte die junge Mulattin.

»Das war gelegentlich einer meiner Wanderungen durch die Amazonas-Provinz«, antwortete Fragoso, »als ich in Ausübung meines Geschäftes von Dorf zu Dorf pilgerte.«

»Nun, und jene Narbe?«

»Ja, das ging folgendermaßen zu: Ich langte eines schönen Tages in der Gegend von Aranas gerade in dem Augenblicke an, als Torres, den ich niemals vorher gesehen hatte, mit einem seiner Kameraden – lauter schuftige Kerle das – in Streit gekommen war, der damit endigte, daß der Waldkapitän einen Messerhieb in den Arm erhielt.



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