020 - Das Dampfhaus (Der Stahelefant) 1 by Jules Verne

020 - Das Dampfhaus (Der Stahelefant) 1 by Jules Verne

Autor:Jules Verne [Verne, Jules]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-06-16T04:00:00+00:00


Eine nepalesische Pagode.

»Vielleicht«, meinte Banks, »genügte der ganze Inhalt des Ganges noch nicht für den Bedarf der Gläubigen!«

Ich fragte ihn darauf, ob bei dieser »Baderei« nicht zuweilen Unfälle vorkämen, da man von Sicherheitsmaßregeln nichts bemerkte. Denn Schwimmeister gab es z. B. hier nicht, um Unvorsichtige abzuhalten, die sich in die schnelle Strömung des Flusses verirrten.

»Unfälle kommen häufig genug vor«, antwortete mir Banks, »doch, wenn der Körper des Gläubigen verloren ist, so ist wenigstens seine Seele gerettet. Deshalb macht man nicht viel Aufhebens darum.«

»Und die Krokodile?« forschte ich weiter.

»Die Krokodile halten sich meist beiseite. Der Lärm im Wasser erschreckt und verscheucht sie. Diese Ungeheuer sind weit weniger zu fürchten als die Bösewichte, welche untertauchen, unter dem Wasser hingleiten, Frauen und Kinder herabzerren und ihnen das Geschmeide rauben. Man erzählt auch von einem Schurken, der mit einem künstlichen Kopf bedeckt, lange Zeit die Rolle eines falschen Krokodils gespielt und bei diesem einträglichen und gefährlichen Geschäft sich ein ganz nettes Vermögen erworben haben soll. Eines Tages ward dieser Eindringling von einem wirklichen Alligator aufgefressen, und man fand von ihm nichts als den Kopf von lohgarer Haut, der noch auf dem Strom hinabtrieb.«

Außerdem gibt es auch genug überspannte Gläubige, welche freiwillig den Tod im Ganges suchen und dabei sogar mit Raffinement zu Werk gehen. Um ihren Körper befestigen sie dann z. B. einen Rosenkranz von leeren, aber unverschlossenen urnenartigen Gefäßen. Allmählich dringt das Wasser in dieselben ein und zieht sie unter dem beifälligen Jubel der andächtigen Menge langsam hinunter.

Die Gondel hatte uns bald an die Manmenka Ghât gebracht. Hier erhoben sich die Scheiterhaufen, denen die Leichen aller derjenigen übergeben werden, welche wegen des zukünftigen Lebens etwas in Besorgnis sind. Die Gläubigen halten viel auf die Einäscherung an dieser Stelle, und die Scheiterhaufen lodern deshalb Tag und Nacht. Aus weiter Ferne her lassen sich die reichen Babous nach Benares bringen, sobald sie sich von einer unheilbaren Krankheit ergriffen fühlen. Benares gilt ohne Zweifel für den besten Abfahrtsplatz bei »der Reise in die andere Welt«. Hat der Verstorbene sich nur verzeihliche Sünden vorzuwerfen, so geht seine Seele auf den Rauchwolken der Manmenka sofort zur ewigen Glückseligkeit ein. War er ein großer Sünder, so muß sich seine Seele dagegen erst in dem Körper eines eben geborenen Brahmanen läutern. Er darf dann hoffen, daß, wenn sein Leben während dieser zweiten Fleischwerdung ein tadelloses gewesen ist, ihm keine dritte »Avatâra« (eine dritte Menschwerdung) auferlegt wird, bevor er für immer zum Genuß der Seligkeit in Brahmas Himmel zugelassen wird.

Den Rest des Tages benutzten wir zu einem Besuch der Stadt, ihrer hauptsächlichsten Bauwerke und der von düsteren Läden nach arabischer Sitte eingefaßten Bazars. Hier bringt man vorzüglich seine Mousselins zum Verkaufe, neben dem »Kinkôb«, einer Art goldbroschierten Seidenstoffs und das wichtigste Erzeugnis der Industrie von Benares. Die Straßen waren gut erhalten, aber eng, eine Anlage, die man in allen von den Strahlen der Tropensonne fast senkrecht getroffenen Städten wiederfindet. Empfindet man doch im Schatten hier noch eine unausstehliche Hitze. Ich bedauerte die Träger unseres Palankins aufrichtig, obgleich diese sich nicht selbst zu beklagen schienen.



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