02 - Alle sieben Wellen by Glattauer Daniel

02 - Alle sieben Wellen by Glattauer Daniel

Autor:Glattauer Daniel
Die sprache: deu
Format: epub


KAPITEL ELF

Am nächsten Tag

Betreff: Mein Vorschlag!

Guten Morgen, liebe Emmi. Ich mache dir einen Vorschlag für die virtuelle Gestaltung der nächsten eineinhalb Wochen: Jeder von uns beiden darf dem anderen täglich je eine Frage stellen und ist dem anderen je eine Antwort auf dessen Frage schuldig.

Einverstanden?

20 Minuten später

RE:

Wann ist dir denn diese abstruse Idee gekommen, mein Bester?

Drei Minuten später

AW:

War das schon deine Frage für heute, meine Beste?

Fünf Minuten später

RE:

Moment, Leo, ich habe nicht gesagt, dass ich einverstanden bin. Du weißt, ich spiele gerne, sonst säße ich nicht seit zwei Jahren hier. Aber dieses Spiel ist noch unausgegoren. Wie halten wir es zum Beispiel, wenn sich nach deiner Antwort auf meine Frage eine Rückfrage ergibt?

Eine Minute später

AW:

Dann kannst du diese am nächsten Tag stellen.

50 Sekunden später

RE:

Das ist unfair! Du willst ja nur, dass die Zeit zwischen mir und »Pam« schneller vergeht, damit die Tage deiner letzten dialogischen Tagebuchaufzeichnungen endlich gezählt sind.

40 Sekunden später

AW:

Tut mir leid, Emmi. Aber so geht das Spiel nun einmal. Das weiß ich ganz genau, denn ich habe es erfunden.

Fangen wir an?

Eine Minute später

RE:

Moment. Darf man Fragen auch nicht beantworten?

50 Sekunden später

AW:

Nein, nicht beantworten gilt nicht! Höchstens ausweichend beantworten.

30 Sekunden später

RE:

Da bist du im Vorteil, das trainierst du schon seit fünfundzwanzig Monaten.

40 Sekunden später

AW:

Liebe Emmi, fangen wir jetzt an?

30 Sekunden später

RE:

Und was ist, wenn ich nein sage?

Zwei Minuten später

AW:

Dann war das hier soeben gleichzeitig deine heutige Frage und deine heutige Antwort. Und wir lesen uns morgen wieder.

Eine Minute später

RE:

Wärest du nicht Leo Leike, den ich mit eigenen Augen mit ganz anderen Augen an einem Kaffeehaustisch habe schmachten sehen, als er alles dafür gab, so charmant zu sein, dass er es mit meiner Wunschvorstellung von ihm hätte aufnehmen können, dann würde ich sagen: Du bist ein Sadist! Also frage mich. (Aber frage mich bitte nicht, was ich anhabe!) Emmi.

Drei Stunden später

Betreff: Erste Frage

Ich warte noch immer auf deine Frage, mein Guter.

Fällt dir nichts ein? Das war übrigens noch nicht meine Frage! Meine Frage lautet: »Lieber Leo, du hast im Zuge deiner jüngsten schriftlichen Komabesäufnis–Kundgebungen über dich und P… P… Pamela behauptet, ihr beide würdet gut zusammenpassen.

Inwiefern? Ich bitte um eine nähere Erläuterung.«

Fünf Minuten später

AW:

Meine Frage an dich, Emmi, lautet: »Würdest du es wieder tun?«

15 Minuten später

RE:

Sehr schlau, Leo. Das »Es« darf ich mir also aussuchen, und wehe, ich erwische ein falsches, dann bleibt »es« ewig an mir hängen, obwohl du derjenige warst, der »es« unbedingt hinterfragen wollte. Wärest du nicht Leo, sondern irgendein anderer Mann, dann wäre wohl klar, dass »es« nur Sex bedeuten könnte. In unserem Fall: Mein »Besuch« bei dir, meine Enttäuschung, meine Verzweiflung, meine Zerstörungswut und, daraus resultierend – »es«.

Hättest du dieses »Es« gemeint, dann wäre meine Antwort nein gewesen. Nein, ich würde es nicht mehr tun! Ich wünschte, ich hätte es nie getan.

Da du aber Leo Leike bist, meinst du mit »es« natürlich nicht Sex, sondern etwas Anderes, Größeres, Erhabeneres, Hochwertigeres. Wenn mich nicht alles täuscht, müsste »es« unsere Schreibbeziehung sein.

Du fragst: Würdest du es wieder tun? Würdest du mir wieder zurückschreiben? Würdest du dich ein



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