Zwei Grad mehr in Deutschland. Wie der Klimawandel unseren Alltag verändern wird by Friedrich-Wilhelm Gerstengarbe & Harald Welzer
Autor:Friedrich-Wilhelm Gerstengarbe & Harald Welzer [Gerstengarbe, Friedrich-Wilhelm]
Die sprache: deu
Format: epub
ISBN: 9783104023199
Herausgeber: Fischer e-books
veröffentlicht: 2015-12-30T16:00:00+00:00
5.4
Lebensalltag und Gesundheit
Abgesehen von den komplexen Wirkungszusammenhängen einer Gesellschaft im Klimawandel sind Menschen auch ganz direkt mit Klima, Wetter und anderem Naturgeschehen konfrontiert – mit Hitze und Kälte, Niederschlag und Wind, Pollen und Bakterien, Lebensmitteln und Wasser und so weiter. Nicht nur Extremwetter wirkt sich unmittelbar auf unser Leben aus, sondern Wetter und andere Umwelteinflüsse tun dies ganz allgemein, auch unter Normalbedingungen. Was bedeuten die modellierten Klimaveränderungen für Leib und Leben des einzelnen Menschen?
Dieser Abschnitt konzentriert sich auf die Folgen der höheren Durchschnittstemperaturen und häufigeren Hitzewellen, die zu erwarten sind. Auch andere Klimafolgen wie häufigere Stürme und Hochwasser haben natürlich Einfluss auf Lebensalltag und Gesundheit. Sie schränken nicht nur für viele die Bewegungsfreiheit ein, sondern verursachen auch immer wieder Unfälle mit Schwerverletzten und Todesopfern. Durch Überschwemmungen können giftige Stoffe und Chemikalien freigesetzt werden, und auch wenn das nicht geschieht, erhöht die Feuchtigkeit das Risiko von Infektionen und Schimmelbildung. Hinzu kommt erheblicher psychologischer Stress für die Betroffenen.
Doch auch wenn sie häufiger werden, sind Katastrophen immer Ausnahmesituationen, deren Folgen zudem in hohem Maß davon abhängen, wie weit man auf sie vorbereitet ist und die Ressourcen und Strukturen zu ihrer Bewältigung bereithält. Ein Anstieg der Temperaturen hingegen prägt den Alltag. Und obwohl man sich natürlich auch hier in gewissem Maß anpassen und vor negativen Folgen schützen kann, ist grundsätzlich der Tatbestand, dass man künftig in veränderten klimatischen und ökologischen Bedingungen lebt, für alle unausweichlich.
Für Menschen wie für andere gleichwarme Lebewesen – im Wesentlichen Säugetiere und Vögel – ist es wichtig, ihre Körpertemperatur mehr oder weniger konstant zu halten. Der Hauptvorteil der biologischen Einrichtung als gleichwarmer Organismus besteht darin, dass dieser eine größere Umweltunabhängigkeit besitzt und tendenziell das ganze Jahr über gleichermaßen »einsatzbereit« ist, während wechselwarme Tiere – etwa Reptilien – bei Kälte weniger aktiv sein können und deswegen zum Beispiel Winterschlaf halten oder auch sonnenbaden müssen, um Energie zu tanken. Damit wir unsere Temperatur halten können, verfügt unser Organismus über eine Reihe von Funktionen, die den Wärmehaushalt regeln – die sogenannte Thermoregulation. Der bekannteste und bei Hitze wichtigste Aspekt der Thermoregulation des Menschen ist das Schwitzen, das über Verdunstung die Wärmeabfuhr steigert. Ist die Umgebungstemperatur geringer als die Hauttemperatur, die etwa zwischen 36 und 38 °C Celsius beträgt, kann überschüssige Wärme außerdem über eine stärkere Durchblutung der Haut an die Umgebung abgegeben werden; bei höheren Umgebungstemperaturen ist dies nicht mehr möglich (WHO 2010: 2).
Die Haut und die Extremitäten dienen bei der Thermoregulation gewissermaßen als Puffer – hier können Temperaturschwankungen eher toleriert werden als im Körperinneren. Dort wird für Konstanz gesorgt, indem überall im Körper ständig die Temperatur überwacht wird, so dass bei Abweichungen sofort reagiert werden kann – durch physiologische Reaktionen wie Schwitzen bei Wärme oder wärmendes Muskelzittern bei Kälte, aber auch durch Verhaltensmotivationen.
Seinen größten »thermischen Komfort« erreicht ein unbekleideter, ruhender Mensch bei ca. 28 Grad – das heißt, er empfindet die Temperatur weder als zu warm noch als zu kalt und sein Organismus muss am wenigsten Energie aufbieten, um seine Temperatur zu regulieren. In der Realität ist unsere Komfortzone allerdings noch durch
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