Kursbuch 177 (B00IT0EEBE) by Armin Nassehi (Hg.)

Kursbuch 177 (B00IT0EEBE) by Armin Nassehi (Hg.)

Autor:Armin Nassehi (Hg.) [Nassehi (Hg.), Armin]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: ISBN 978-3-86774-360-0 (E-Book)
Herausgeber: Murmann Verlag
veröffentlicht: 2014-03-04T05:00:00+00:00


Technische Möglichkeiten der Überwachung

Bevor der Versuch einer Antwort auf diese Frage unternommen werden kann, muss im Folgenden zunächst die Analyse der aktuellen Umstände nicht nur auf rechtlicher, sondern auch auf technischer Ebene angerissen werden. Wenn Edward Snowden sagt, dass die Regierungen alles sammeln, dann kann er dabei auf das privilegierte Wissen eines Insiders zurückgreifen. Die Veröffentlichungen der von ihm autorisierten Pressevertreter geben naturgemäß ein weniger umfassendes Bild ab. Das macht aber nichts, denn wir können – und das tut zum Beispiel der CCC seit seinem Bestehen – uns der Aufgabe auf dem anderen Wege nähern, indem wir überlegen und davor warnen, was gespeichert werden könnte. Snowdens Verdienst besteht darin, zu belegen, dass diese Speicherung tatsächlich geschieht und jene Warner nicht mehr in die Schmuddelecke verrückter Verschwörungstheoretiker gestellt werden können.

Die letzten 20 Jahre haben einen gewaltigen gesellschaftlich-technologischen Umbruch gebracht. Der Soziologe Dirk Baecker stellt ihn auf eine Stufe mit der Einführung des Buchdrucks, will sogar die »nächste Gesellschaft« in ihm entdeckt haben. Er mag damit nicht ganz unrecht haben. Für die soziologische Analyse sind aber andere Begriffe zielführender. Etwa – wie Baecker es selber auch nennt – die »Computergesellschaft«, die »Netzgesellschaft« oder die »digitale Gesellschaft«. Will man im Sinne einer »difference that makes a difference« die Information destillieren, die die nächste Gesellschaft ausmacht, ist man mit diesen qualifizierenden Attributen besser bedient als mit der Einordnung als Zäsur. Nichtsdestoweniger ist Baeckers Begrifflichkeit verdienstvoll, zeigt sie doch die Grundsätzlichkeit des Wandels auf und eröffnet damit auch den diffizilen Raum, neue Grundwerte zu entwickeln anstatt alte lediglich fortzuschreiben.

Was die computerisierte Gesellschaft auszeichnet, ist, dass nahezu alle Vorgänge, nahezu jedes Handeln über den Computer vermittelt wird und damit digital vorliegt. Insoweit sind viele von uns bereits in der »nächsten Gesellschaft« angekommen: Unsere Arbeit findet zumeist am Computer statt. Ein Großteil unserer Kommunikation erfolgt ebenfalls über das Netz. In die übrigen Bereiche ziehen zunehmend digitale Sensoren ein. Selbst das Schlafverhalten wird von Apologeten der Selbstoptimierung aufgezeichnet und ausgewertet.

Es ist – zumindest derzeit – das Wesen der Netzgesellschaft, dass diese Daten in erheblichem Umfang auch das Netz durchwandern. Hier steckt ein wichtiger Teil des Problems, denn anders als die Computer der 1980er- und frühen 1990er-Jahre findet nicht nur eine lokale Sammlung statt, sondern nahezu immer auch eine Übermittlung. Zudem hat sich das Netz von einer ursprünglich dezentral organisierten Verbindung autarker Computersysteme zu einer weitreichend zentralisierten Infrastruktur entwickelt, in der große Plattformen die Datenspeicherung betreiben, anstatt eine lokale Vorhaltung der Daten zu unterstützen. Mit dieser Übermittlung der Daten entstehen zahlreiche Zugriffspunkte für Überwachung, und sie ermöglicht das Mitschneiden oder Abgreifen von Informationen. Snowdens Enthüllungen deuten darauf hin, dass dies in einem totalen Sinne geschieht. Bereits vor Snowden berichtete das amerikanische Technologiemagazin Wired von geradezu sagenhaften Speicherkapazitäten des im Bau befindlichen NSA-Rechenzentrums in Utah. Hätten diese Angaben gestimmt – die Zeitschrift hat später eingeräumt, dass die Zahlen wohl zu hoch angesetzt seien –, könnte man in Utah den gesamten Internetverkehr der kommenden 1000 Jahre (bei einer Zugrundelegung des antizipierten Aufkommens im Jahre 2015) speichern. Kalkuliert man erhebliche Effizienzgewinne ein,



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