Die Verantwortung der Linken by Jan Korte

Die Verantwortung der Linken by Jan Korte

Autor:Jan Korte
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: Verbecher Verlag
veröffentlicht: 2020-08-15T00:00:00+00:00


IV.Was könnte man denn nun tun?

An dieser Stelle sagt vielleicht die eine oder der andere: Korte, alles ganz richtig, was du so schreibst. Aber was können wir tun? Womit sollen wir beginnen? Das ist eine berechtigte Frage, die schwer zu beantworten ist. Zunächst denke ich, dass sich die Linke wieder selbst vergewissern muss: Wo kommen wir her? Was sind unsere Traditionen? Was ist unsere Geschichte und was haben wir vorzuweisen? Was sind die großen Linien, die wir gemeinsam haben? Die Vorstellung davon, was Rolle und Aufgabe der Linken sein sollte, ist heute verschwommen und widersprüchlich. Man hat den Eindruck, dass aufgrund des Rechtsrucks in dieser Gesellschaft – in Europa und auf der Welt – alles aus den Fugen gerät und man gar nicht genau weiß, wo man ansetzen, wo man beginnen soll. Viele haben den Eindruck, dass es jeden Tag schlimmer wird. The world is going fucking crazy. Die Linke hat in den vergangenen Jahren viele Niederlagen einstecken müssen: Die großen Hoffnungen in Lateinamerika sind gestorben, Bolsonaro und andere Faschisten sind auf dem Vormarsch. Ehemalige linke Hoffnungsträgerinnen und Vorbilder gehen im Sumpf von Autoritarismus und Korruption unter. Der Traum, mittels des Sieges von Syriza in Griechenland ganz Europa nach links zu verschieben und die de facto Neugründung eines Europas jenseits von Austerität und Jugendarbeitslosigkeit zu erkämpfen, ist ausgeträumt. Syriza wurde abgewählt, die alten Eliten unter Mitsotakis sind zurück an der Macht. Und schließlich ist Ursula von der Leyen neue Kommissionspräsidentin. In der Bundesrepublik vegetiert die Sozialdemokratie vor sich hin, die Grünen stehen für alles und nichts und die Linkspartei dümpelt bei 8 bis 9 Prozent vor sich hin. Ein mögliches Mitte-Links-Bündnis hätte seit den letzten Bundestagswahlen rechnerisch keine Mehrheit mehr. Und auch gesellschaftspolitisch gibt es zurzeit keinen großen Aufbruch, der eine dauerhafte Veränderung der rechten Hegemonie brechen könnte. Die AfD eilt von Erfolg zu Erfolg. Erst nach dem Mord an Walter Lübcke durch einen radikalen Rechten und durch den rechten Terrorakt in Halle hat in Teilen (!) der Union ein Umdenken stattgefunden und man hat begriffen, welche Gefahr von der Rechtsentwicklung in der Gesellschaft ausgeht. Und trotzdem – das ist das Unfassbare – arbeiten CDU-Leute eifrig daran, die Mauer zur AfD abzutragen. Politische Tristesse, wohin man schaut.

Aber es hilft ja nichts. Um uns endlich aufrichten zu können, sollten wir zunächst daran erinnern, was Linke in den letzten Jahrzehnten alles an Fortschritt und zivilisatorischen Standards durchgesetzt haben – besonders auf gesellschaftspolitischer Ebene: Die Ehe für alle, große Fortschritte bei der Gleichberechtigung der Geschlechter, eine Kindererziehung ohne Schläge, Akzeptanz für unterschiedliche Lebensmodelle, erfolgreiche Kämpfe gegen den Mietenwahnsinn, die Einführung des Mindestlohns, die Abschaffung der Praxisgebühr, die großartigen Unteilbar-Demonstrationen und schließlich auch die Möglichkeit, den Kapitalismus wieder grundlegend in Frage zu stellen. Zudem wurde die Zurückdrängung des Privatisierungswahns erstritten, der Zeitgeist hat sich in dieser Frage grundsätzlich verändert. Bis hinein in die Kommunen gibt es kaum noch Akzeptanz für die Verscherbelung des Gemeineigentums. Das sind Erfolge, die hart erkämpft wurden und heute verteidigt und ausgebaut werden müssen. Diese zivilisatorischen Standards zu halten, kostet jetzt schon enorm viel Kraft und Zeit.



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