Zerbrochene Welt by Szép Ernő

Zerbrochene Welt by Szép Ernő

Autor:Szép, Ernő
Die sprache: deu
Format: epub
Herausgeber: dtv Deutscher Taschenbuch Verlag GmbH & Co. KG, München
veröffentlicht: 2013-12-31T16:00:00+00:00


HAUPTMANN MEGAY

In der Kanzlei sind vier Dienstverpflichtete beschäftigt, dieser Dr. K., angehender Rechtsanwalt, ein Maler, ein Schauspieler und ein Student der Philosophie. In der Ziegelfabrik werden jetzt gebrochene Schienen verschweißt, Bahnschwellen gezimmert, Ketten für eiserne Brücken geschmiedet, sogar Schrauben fabriziert, nur Ziegel brennt man hier nicht mehr. Um zum Herrn Hauptmann zu gelangen, musste ich an der Tür zum inneren Zimmer anklopfen. Drinnen schallte gerade der Wehrmachtsbericht aus dem Radio. Als ich eintrat, hob der Hauptmann den Kopf; er saß da, beide Fäuste auf den Schreibtisch gestützt, und studierte offensichtlich die Landkarte. Er hatte einen sehr menschenfreundlichen Gesichtsausdruck und mochte vielleicht zweiunddreißig Jahre alt sein.

»Hauptmann Megay.«

Er schaltete das Radio aus.

Ich möge bitte entschuldigen, dass er mich hergebeten habe. Ob ich eine Symphonia oder eine Selbstgedrehte wünsche? Er sei schon sehr neugierig auf mich gewesen, dürfe aber nicht zu uns hinüberkommen, das sei ihm untersagt. Er könne mich auch nicht zum Abendessen einladen, obwohl er mit seiner Familie in dieser Siedlung wohne. Mit uns habe er nur insofern zu tun, als er uns die Unterkunft auf dem Gelände zur Verfügung stelle. Jedenfalls seien die Leute seiner Einheit von ihm angewiesen, auf möglichst menschliche Weise mit uns umzugehen. So habe er das Stroh für unsere Liegeplätze hinaufbringen lassen. Ihm sei es ein Anliegen, auch unsere Versorgung zu verbessern. Auf jeden Fall würde er alles tun, was in seiner Macht stehe. Das Pfeilkreuzler-Kommando, dem wir unterständen, sei in Csomád stationiert. Dort habe er aber keine guten Karten, denn man hielte ihn bereits für einen Judenfreund.

Nach solchen Äußerungen traute ich mich, den Hauptmann, wenn auch wenig hoffnungsvoll, zu fragen, ob er vielleicht etwas für die Alten über sechzig tun könne, die man sicherlich gesetzeswidrig hergeschleppt habe. Oder wenigstens für die Kranken und die völlig erschöpften Greise. Nein, leider könne er da nicht viel tun. Wenn er es versuche, hätte das bestenfalls zur Folge, dass man ihn zu einer anderen Einheit versetze – und dann erginge es uns wahrscheinlich noch schlechter.

Wir plauderten noch eine Weile. Der Herr Hauptmann zeigte großes Interesse an Literatur, er lese viel, wenn es seine Zeit erlaube. Schließlich ermunterte er mich, ihn wieder einmal zu beehren und mich ruhig an ihn zu wenden, wenn ich etwas brauche.

Er war zweifellos erleichtert, als ich mich verabschiedete; schließlich musste er ja jeden Augenblick gewärtigen, dass irgendein Rädelsführer der Pfeilkreuzler aus Csomád bei ihm anklopfte.

Als ich herauskam, wandte sich ein älterer bewaffneter Honvéd an mich; er war mir mit seinem strohgelben Schnurrbart schon auf dem Weg zum Hauptmann aufgefallen.

»Mit Verlaub, ist der Herr nicht Ernő Szép?«

»Der bin ich«, sagte ich.

»Eigentlich habe ich den Herrn schon beim Hineingehen erkannt, wollte es aber gar nicht glauben.«

»Und woher kennen Sie mich?«

»Aus dem illustrierten Wochenblatt Tolnai Világlap, da habe ich das Bild des Herrn Dichters schon oft gesehen und auch viele Novellen von ihm gelesen.«

»Novellen von mir.«

Dann stellte sich heraus, dass er Böttchermeister war und aus dieser Gegend stammte. Ich hätte ihn für einen Bauern gehalten. Er war fünfzig und hatte schon ein Enkelkind. Sein Sohn diente an der Front.



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